Der Blumenkrieg
Verbissenheit dabei beobachtet, wie sie mit ihrem neuen Freund ein- und ausging, und sich mit völlig unsinnigen Vorstellungen davon gequält, was die beiden da drinnen gerade im Bett miteinander machten. Er verstand unbedingt, daß die Liebe einen zu riesigen, fast kriminellen Dummheiten treiben konnte. Aber es gibt Grenzen. Es muß Grenzen geben.
»Wie sich herausstellte, war der alte Beseitiger viel listiger, als ich gedacht hatte«, fuhr Dowd fort, und in seiner hauchigen Stimme lag etwas, das Kummer sein konnte. »Er hatte viele Projekte gleichzeitig laufen und wollte eine solche einmalige Gelegenheit möglichst mehrfach nutzen. Als ich in jener Nacht schlaflos im Bett lag, klopfte es an die Tür. Es war ein Doonie in Chauffeursuniform – die Sorte muß auch dir inzwischen begegnet sein –, und er forderte mich auf, mit ihm zu kommen. Ich war verwirrt, aber weil ich annahm, das gehöre mit zum Plan des Beseitigers oder der Doonie solle mich vielleicht sogar noch einmal zu ihm hier in dieses Haus bringen, zog ich mich an, stieg in die schwarze Luxuskutsche, und schon sausten wir im Eiltempo durch Neu-Erewhon.
Allerdings ging die Fahrt nicht zum Hafen, sondern ins Zentrum der Stadt, nach Nachtstund. Erst als wir plötzlich in eine der Hintereinfahrten einbogen, wurde mir klar, daß ich aus irgendeinem Grund in die Veilchen-Residenz bestellt worden war. Ich war schon ein paarmal dort gewesen. Die Veilchen gehörten zu den Familien, die zwar nicht eben freundlich zu Menschen waren, aber sie doch einigermaßen tolerierten.
Während die Leibwächter mich gründlich durchsuchten, bevor sie mich aus der Garage ins Hauptgebäude ließen, ging mir zum erstenmal auf, wie sehr sich der Konflikt zwischen den höchsten Blumengeschlechtern in den Monaten zugespitzt hatte, in denen mein Fall im Parlament verhandelt worden war und ich andere Ereignisse kaum noch mitbekommen hatte. Auf dem ganzen Gelände wimmelte es von Soldaten, es war eine richtige Privatarmee, und alle waren emsig beschäftigt. Die Veilchen schienen sich auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff zu rüsten, vielleicht sogar einen ausgewachsenen Krieg. Wie ich später herausfand, rüsteten sie sich in Wirklichkeit auf die Zeit nach der sicheren Niederlage in diesem Krieg.
Der Dooniechauffeur blieb zurück, und ein junger, schnöseliger Elf aus dem inneren Kreis der Veilchensippe nahm sich meiner mit einer Begeisterung an, als ob ich ein Korb schmutziger Wäsche wäre, und führte mich umgehend in den Privatteil des Hauses. Ich wurde ein weiteres Mal von vier Ogerwächtern durchsucht und dann in die Bibliothek gebracht. Dort wartete Belleius Veilchen, das Oberhaupt der Familie, auf mich.
Ich kann ihn dir wahrscheinlich am besten so beschreiben, daß er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Oberhaupt einer reichen, alten neuenglischen Familie hatte – Bostoner Brahmanen nannten wir sie früher. Für einen Elfenadeligen war er ganz passabel, halbwegs gerecht, nicht grausamer als andere auch. Nach den Maßstäben seines Volkes hätte man ihn wohl als aufgeschlossen bezeichnen müssen. Was nicht heißen soll, daß er mich in jener Nacht gut behandelte. Er war zornig und tief betrübt, und es muß ihn auch hart angekommen sein, sich in seiner höchsten Not an einen wie mich wenden zu müssen, einen Menschen, einen Auswärtigen.
›Du hast die gerechte Strafe für deine Anmaßung erhalten, Eamonn Dowd‹, sagte er zu mir. ›Glaube ja nicht, daß du mein Mitgefühl hast. Wobei meine Einstellung nichts damit zu tun hat, daß ich mich meiner höheren Geburt rühme, wie viele in den anderen Häusern es tun, auch wenn deine Abstammung meines Wissens nicht einmal unter den Menschen als sonderlich vornehm gilt. Nein, ich finde dein Handeln deshalb verwerflich, weil wir herrschenden Familien die dünne Wand bilden, die unsere Welt von der barbarischen alten Zeit trennt, und wir deshalb unter keinen Umständen zulassen dürfen, daß Menschen uns mit ihren Ideen unterwandern, unsere Töchter zu Frauen nehmen, unsere Nachfolge antreten. Das mag nicht in deiner Absicht gelegen haben, aber ich weiß sehr wohl, wie eines das andere nach sich zieht, wie eine Freiheit allen anderen Tür und Tor öffnet. Wenn so etwas geduldet würde, wären wir bald nur noch ein Anhängsel deiner Welt. Dazu darf es nicht kommen.‹ Das bekam ich gewissermaßen zur Begrüßung zu hören.« Dowd gestattete sich ein bitteres, pfeifendes Lachen. »Und vergiß nicht, er war einer von der
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