Der Blumenkrieg
progressiven Partei.
Ich fragte ihn, ob er mich den weiten Weg hätte kommen lassen, nur um mich und meinesgleichen zu beleidigen. Das erboste ihn, doch wie ich vermutet hatte, konnte er es sich nicht erlauben, die Fassung zu verlieren. Ich spielte meinen Vorteil nicht aus. Ich vermutete außerdem, daß der Beseitiger bei der Sache die Hand im Spiel hatte, und ich hatte nicht mehr viel Zeit. Die Nacht war schon weit fortgeschritten, und am Morgen sollte ich auf den Strohblumenplatz gebracht werden.
Es dauerte eine Weile – er mußte sich einen starken Drink bringen lassen, um sich zu ermannen, mit einem wie mir offen zu reden. Um gerecht zu sein, muß man sagen, daß es für ihn eine furchtbare Situation war, um die ihn niemand beneidet hätte. Er begann mit einer weitschweifigen Erklärung der Vorbereitungen, die ich draußen gesehen hatte, was meinen Verdacht bestätigte, daß es um die Beziehungen zwischen den sieben herrschenden Häusern sehr schlecht stand, viel schlechter, als ich mir hätte vorstellen können.
Kurzum, der Ausbruch des Krieges stand unmittelbar bevor. Alle anderen Herrscherhäuser unterstützten entweder Nieswurz – denn er war natürlich der Kriegstreiber – oder hatten nicht den Mut, sich ihm offen zu widersetzen. Nur Veilchen hatte sich gegen ihn gestellt, und das bedeutete, daß das Haus Veilchen mit ziemlicher Sicherheit verlieren würde.«
»Was war denn der Grund des Krieges?«
»Ah ja, das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Den Grund kannte ich damals nicht, aber du kennst ihn heute bestimmt – und er ist auch für diese Geschichte wesentlich. Die führenden Familien hatten sich zerstritten wegen unterschiedlicher Auffassungen in, nun, einer Organisationsfrage, wenn du so willst. Der Ausgangspunkt war das Ende des sogenannten Zweiten Riesenkriegs – hast du davon gehört?«
»Ja.«
»Der König und die Königin Elfiens – nicht ganz identisch mit Shakespeares Oberon und Titania, wie ich inzwischen weiß, aber auf jeden Fall die Herrscher dieses Landes – kamen am Ende dieses Krieges ums Leben. Irgendwie, wie genau, habe ich nie ganz herausfinden können, erlangten die Sieben Familien die Kontrolle über die Kanalisierung der Kraft, die einst zu den Pflichten des Königspaares gehört hatte … nein, Pflichten ist das falsche Wort … sagen wir, die einst zu den Lebensfunktionen des Königspaares gehört hatte. Die Sieben setzten sich an die Stelle des Königs und der Königin und gewannen damit nicht zufällig die Macht über das Leben sämtlicher Untertanen, mit anderen Worten, über ganz Elfien.
Aber, und das ist der wesentliche Punkt, sie hatten zwar die Kontrolle über die Kanäle erlangt, über die Leitungen sozusagen, aber das anhaltende Fließen der Kraft, der Magie, oder wie du das Lebensblut dieses Landes sonst nennen willst, konnten sie nicht gewährleisten. Auf irgendeine Art war Elfiens Zauberkraft von dem alten Königspaar gelenkt oder sogar erzeugt worden, und die Sieben Familien konnten diesen Ablauf nicht störungsfrei aufrechterhalten. Sie waren gezwungen, primitivere Ersatzformen zu finden. Statt eine sich regenerierende Quelle anzuzapfen, mußten sie die persönlichen Energien lebender Elfen ausbeuten. Das ist ein wenig so, als verzehrte man seine Freunde, statt Obst und Gemüse zu essen, die nur Wasser und Sonne zum Wachsen brauchen. Mit Sicherheit war es nicht sehr effektiv. Zudem stellten die Anführer der Sieben Familien zu ihrem Leidwesen bald fest, daß gerade die menschenähnlichen Elfen und weniger die übrigen Bewohner des Landes als Konzentratoren der von ihnen benötigten Kraft dienen …«
»Das hat mir ein Freund schon erklärt.«
»Aha, nun, das ist ein bedeutsamer Faktor. So unbarmherzig, wie diese Familien sind, hätten sie, wenn es möglich gewesen wäre, die ihres Erachtens ›minderwertigen Völker‹ Elfiens eingespannt, um diese Krise auf Jahrtausende hin, vielleicht sogar für immer von sich abzuwenden. Ich habe die von Nieswurz und seinen Verbündeten in Auftrag gegebenen Pläne gesehen, die heute zum Glück nur noch antike Kuriositäten sind. Diese Pläne sahen völlig autarke Kraftwerke vor, in denen Goblins und Kobolde eigens gezüchtet, verbraucht und dann im Prinzip weggeworfen worden wären. Aber das System funktionierte nicht. Die Betriebskosten waren und sind nach wie vor viel zu hoch: Um einem Elf dieser Art Kraft abzugewinnen, muß man genausoviel aufwenden, wie man dabei herausholt. Selbst die Kraft von den
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