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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gewissermaßen neu gegründet werden kann, einerlei wie tief sie gefallen ist. Die Machtspiele zwischen den Häusern ziehen sich hier über Jahrtausende hin, Theo, und sie sind äußerst verwickelt.
    Dies also war die Situation, in der Veilchen sich befand. Er sah sich einem Krieg gegenüber, den er kaum gewinnen konnte und in dem, wie er befürchten mußte, nicht nur er umkommen würde, sondern auch seine Söhne und Töchter, was das Ende seiner Linie bedeutet hätte. Mehr als irgend jemand sonst ist Nidrus Nieswurz sich darüber im klaren, daß ein Feind erst dann wirklich vernichtet ist, wenn man auch seine Nachkommen umgebracht hat. ›Es reicht nicht aus, die Blüte zu töten‹, sagt ein altes Sprichwort hier, ›du mußt auch die Samen verbrennen und den Boden versalzen.‹ Und genau das war Veilchens Befürchtung. Seine Frau hatte erst wenige Monate vorher einen Sohn geboren, den unter normalen Umständen kein ungewöhnlicheres Schicksal erwartet hätte, als das siebte Kind in einer mächtigen Familie zu sein, doch der jetzt der Same sein konnte, durch den die Linie eines Tages vielleicht wieder auflebte, einerlei wie der Blumenkrieg ausgehen mochte. Veilchen wollte dieses Kind irgendwohin schicken, wo es Nieswurz’ Zugriff entzogen war, aber in Elfien gab es keinen Ort, an dem er sich dessen sicher sein konnte. Da war ihm eine elfische Tradition aus ferner Vergangenheit eingefallen. Er wollte das Kind in die Menschenwelt schicken.«
    Ein bestürzender Gedanke klopfte an die Pforte von Theos Bewußtsein wie ein ungeduldiger Fremder, aber Theo drängte ihn noch zurück, weil er erst etwas anderes in Dowds Geschichte verstehen wollte, das ihn verwirrte. »Aber warum ein Baby? Warum nahm er nicht eines seiner älteren Kinder, das in der Lage war, im Interesse der Familie zu handeln, falls es als letztes übrigblieb?«
    »Weil die Reise in die Menschenwelt zwar durch den Kleeblatteffekt beschnitten wird, aber immer noch möglich ist. Veilchen wußte, daß Nieswurz die Menschenwelt gründlich absuchen würde, falls er je erfuhr oder auch nur ahnte, was geschehen war. Eine weitere Merkwürdigkeit an der Überschneidung der Welten ist, daß ein von klein auf in der Menschenwelt aufwachsendes Elfenkind sehr rasch einem Menschen zu gleichen beginnt, gewissermaßen den menschlichen Geruch annimmt, während ein älteres Kind oder ein Erwachsener den Geruch Elfiens niemals ganz verlieren wird. Geschulte Jäger hätten eines von Veilchens älteren Kindern viel leichter aufgespürt.«
    »Er wollte also, daß du … dieses Kind in die Menschenwelt bringst.«
    »Nicht so richtig, schließlich sollte ich öffentlich verbannt werden. Veilchens Plan wäre kein großes Geheimnis gewesen, wenn ich vor aller Augen mit einem Säugling auf dem Arm in die Menschenwelt zurückgekehrt wäre. Doch in seiner Verzweiflung hatte er mit seinem Anliegen den Beseitiger aufgesucht, und dieses gerissene alte Ungeheuer hatte eine Gelegenheit gewittert, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – beziehungsweise zwei Fliegen zu vertauschen. Der Beseitiger lästiger Hindernisse sollte das jüngste Kind von Fürst und Fürstin Veilchen nehmen und mir dieses Kind übergeben, sobald ich wieder auf der anderen Seite war. Dann sollte ich es hüten, so jedenfalls dachte Veilchen es sich, und er versprach mir, sollte er am Leben bleiben und sein Kind zurückholen können, werde er sich dafür einsetzen, daß meine Verbannung aufgehoben wurde, und einen Weg finden, wie ich nach Elfien zurückkehren konnte. Da dies voraussetzte, daß er wider alle Wahrscheinlichkeit über Nieswurz’ Partei gesiegt hatte, war das für mich kein besonders guter Handel, aber er muß sich gedacht haben, daß mir in meiner Not keine andere Wahl blieb.
    Was er natürlich nicht wußte, war, daß der Beseitiger Hintergedanken hatte, ganz gewiß mit mir, und daß ich nicht die Absicht hatte, mich für meine Rückkehr von der Unterstützung durch den unbedingt zum Untergang verdammten Veilchen abhängig zu machen. Der Beseitiger hatte mein moralisches Dilemma vorausgesehen – ich frage mich wirklich, ob er wie ich einst ein Mensch gewesen war – und hatte sich etwas ausgedacht, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Ich sollte ein Menschenkind aus dem Elternhaus entführen, doch jetzt hatte ich ein gesundes Elfenkind, das ich an seiner Statt zurücklassen konnte. Das ist eines der ältesten Elfenmärchen, der in der Wiege vertauschte Wechselbalg. Also erklärte ich mich mit

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