Der Blumenkrieg
Nieswurz«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wie du wünschst.« Er klang, als hätte er sich liebend gern mit einer Kanone in die Luft schießen lassen, nur um nicht mehr reden zu müssen.
Theo hörte sich ein sehr merkwürdiges Geräusch machen – ein blubberndes Stöhnen, ganz weit weg – und begriff schließlich, daß es gar nicht von ihm kam, sondern von dem erwachenden Wuschel Segge. Da er stundenlang praktisch im Koma gelegen hatte, war der Querz von seinen Annishandschellen nicht malträtiert worden, aber nach den Geräuschen zu urteilen, die er machte, war es auch kein reines Vergnügen, wieder zu sich zu kommen, nachdem man einen solchen Film über dem Gesicht gehabt hatte.
»Was …?« Wuschel blickte sich mit trüben Augen um. Seine Knie knickten ein, aber er hatte genau wie Theo zwei Schutzleute als Aufpasser, und diese verhinderten, daß er hinfiel.
»Wir sind in der Nieswurz-Residenz«, sagte Theo erklärend. »Mach keine hektische Bewegung, oder das Ding an deinen Handgelenken beißt zu. Und nichts sagen!« Das war letztlich sinnlos, aber wenigstens war damit verhindert, daß ihre Häscher durch eine gedankenlose Bemerkung etwas erfuhren. Die sollen ruhig dafür arbeiten, sagte er sich, doch als er darüber nachdachte, wie diese Arbeit wohl aussah, wurden ihm die Beine weich. Scheiß an, was soll’s? Ich werde ihnen alles sagen, was sie wissen wollen. Niemand kann der Folter lange widerstehen, es ist nur eine Frage der Zeit, wann du die weiße Fahne schwenkst.
Die schlichte, unbezeichnete Tür am Ende des Flurs sah wie der Eingang zu einer Hausmeisterwerkstatt aus, einem Raum, in den Leute zu einer solchen Behandlung geschleift wurden, weil es dort Eimer und Werkzeuge und einen Betonfußboden mit Abfluß gab. »Hör mal«, sagte Theo unvermittelt. »Ich sage euch alles, was ihr wissen wollt. Richte das deinem Papa aus, Nieswurz. Nur den Querz und die kleine Fee müßt ihr laufenlassen. Die beiden braucht ihr doch gar nicht, die habt ihr nur meinetwegen kassiert.«
Anton Nieswurz bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. »Es kann gut sein, daß mein … Papa … gar nicht mit dir reden möchte. Vielleicht möchte er dir einfach hier und da ein Stück abschneiden, weil du etwas getan hast, worüber er sich geärgert hat – und deine Freunde genauso, könnte ich mir vorstellen. Wenn du meinst, du könntest mit uns handeln, bist du genauso dumm wie dein Onkel oder was dieser elende Beseitiger sonst war. Deine Seite hat verloren. Du bist eine Waise. Du hast weder Kraft noch Macht und nichts, womit du handeln könntest.«
Wie als stille Demonstration von Kraft und Macht schwang die Tür am Ende des Flures auf. Die Wachen ließen Theos Arme los, und einer von ihnen beförderte ihn mit einem Tritt in den Hintern hinein.
Mit seinen annisgefesselten Händen konnte Theo das Gleichgewicht nicht halten; er stolperte, fiel hin, kniete sich mühsam auf. Zuerst war es dunkel bis auf einen Lichtkreis, der auf einen breiten Schreibtisch fiel, aber nur die einzelne Blume in der Mitte beleuchtete. Das Licht wurde heller, und ein Mann erhob sich hinter dem Schreibtisch. Von Angesicht zu Angesicht gesehen war er ausgesprochen schön - ein Gott der Unterwelt. Man erkannte sofort, wo Anton Nieswurz seine Länge herhatte, aber von der mürrischen Unreife des Sohnes fand sich nichts im blassen Gesicht des Vaters. Lange sahen ihn die abgrundtief schwarzen Augen schweigend an.
Pleased to meet you. Unwillkürlich lief in Theo der alte Stones-Song ab. Hope you guessed my name. Gleich darauf kam ihm der Gedanke: Ist er der Fremde in meinem Kopf? Mächtig genug schien er zu sein und mehr als grausam genug auch, aber aus irgendeinem Grund konnte Theo es sich nicht vorstellen. Mit nur minimal zitternder Stimme sagte er: »Und du mußt Satan sein, der Fürst der Finsternis.«
Nidrus Nieswurz lächelte tatsächlich ein wenig. »Und du mußt der letzte Überlebende der Veilchen sein. Was für eine anstrengende Familie! Wie Vögel – sangesfreudig, flatterhaft, schrill. Aber das Nest ist schon lange vom Baum gefallen, und fast alle Eier sind zerbrochen.« Und er tat die leidige Angelegenheit der Vernichtung einer ganzen Sippe mit einem Kopfschütteln ab. »Ihr anderen da draußen könnt auch hereinkommen. Vergeudet nicht mehr von meiner Zeit als unbedingt nötig ist.«
Sein Sohn und Rainfarn betraten das Büro zusammen mit den vier Schutzleuten, von denen zwei immer noch Wuschel aufrecht hielten. Nidrus
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