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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zuckte, und die Annis zwickte ihn sachte, beinahe spielerisch. Wieder schoß Feuer durch seine Adern.
    Auch wenn mit einem Erfolg von Knopfs Revolution kaum zu rechnen war, nahm man die Sache in der Nieswurz-Residenz sichtlich nicht auf die leichte Schulter. Als sie die lange Straße vor dem Hochhaus hinunterrollten – eigentlich eine einzige große Zufahrt –, sah Theo, daß die Asphaltfläche rings um das Gebäude von Fahrzeugen wie ihrem und offenen Kutschen voll bewaffneter und gepanzerter Männer gesäumt war. Seltsame Dinge wie konkave Schmetterlingsflügel baumelten an hohen Drähten, vielleicht eine Art Kommunikationsvorrichtung. Aus den Gesichtern der Schutzleute und der anderen Elfen, an denen sie vorbeikamen, sprach eine harte, grimmige Entschlossenheit.
    Krieg, dachte Theo. Alles klar zum Gefecht. Knopf bräuchte eine Panzerdivision, um hier auch nur in die Nähe zu kommen.
    Als das Fahrzeug anhielt, erfaßte ihn plötzlich ein derart heftiger unbegreiflicher Krampf, daß Theo schon meinte, die Annis hätte wieder zugebissen. Einen Moment lang blickte er durch seine eigenen Augen den riesigen Reißzahn des Hochhauses an und gleichzeitig von oben auf die Geländekutsche hinab. Der bekannte furchtbare Eindringling war wieder in seinem Kopf – aber diesmal träumte er nicht. Er war nur allzu wach, und etwas knuffte gegen sein Bewußtsein und hatte spürbar Vergnügen daran, wie seine Gedanken sich wanden.
    Bald. Er fühlte es mehr, als daß er es hörte, kein Wort, sondern eine Gedankenübertragung, ein kaltes, amüsiertes Versprechen. Bald. Dann war der Eindringling weg, und er war wieder allein in seinem Kopf, entkräftet und erschüttert.
    Rainfarn beendete gerade ein Gespräch auf seiner Muschel. »Die Wachen halten den dritten Aufzug für uns bereit.«
    »Um das zu wissen, brauche ich dich nicht.« Nieswurz streckte seine langen Beine aus. Für einen Elf bewegte er sich ziemlich ungeschmeidig. Er warf einen gleichgültigen Blick auf Theo, dann auf den am Boden schlafenden Wuschel Segge. »Falls du dich nützlich machen willst, Rainfarn, dann nimm dem Querz dieses Ding ab. Wenn Vater mit ihm reden will, muß er vorher wach sein. Vater wartet nicht gern.«
    Während Rainfarn sich damit zu schaffen machte, die klebende Maske von Wuschels Gesicht zu ziehen, verlangsamte die Kutsche die Fahrt. Theo hatte das sichere Gefühl, daß er nie wieder aus der Nieswurz-Residenz herauskommen würde, wenn er erst einmal drin war, daß das bösartige Wesen, das er wahrgenommen hatte, dort auf ihn wartete, daß das wie ein abgebrochener Schenkelknochen dastehende Hochhaus der letzte Ort war, den er im Leben sehen würde. Es würde ihn verschlingen, wie das Meeresungeheuer Jona verschlungen hatte – aber Theo glaubte nicht, daß ein Gott ihn daraus erretten würde.
    Er straffte sich. Falls es noch eine Gelegenheit gab, einen Fluchtversuch zu wagen, eine allerletzte Chance …
    Aber entweder der bloße Gedanke oder vielleicht die geringfügige Muskelanspannung alarmierte irgendwie die Annis. Sie schlug ihr nasses, nadelzahniges Maul erneut in sein Handgelenk, so daß er schreiend und zuckend zu Boden stürzte.
    Er war kaum bei Bewußtsein, als sie ihn hinten aus dem Wagen herauszogen und durch das Foyer der Nieswurz-Residenz in den Fahrstuhl schleiften. Nur eines wußte er: Er war rettungslos verloren.

 
39
Das Stiefkind
     
     
    D ie Schmerzen und die Bewußtseinstrübung klangen langsam ab, als Theo, links und rechts von einem behelmten Wächter gehalten, aus dem Fahrstuhl stolperte. Der lange Flur gewann deutliche Konturen, als tauchte er aus dem Nebel auf. Anton Nieswurz beugte sich langsam herunter – für Theos gestörte Wahrnehmung war die lange Erscheinung doppelt so groß wie ein normaler Elf – und packte sein Gesicht mit einem Griff, der weitaus kräftiger war, als die blassen, weichen Hände hätten vermuten lassen. Er zog eines von Theos unteren Lidern mit einem kalten Finger nach unten, damit er die Augen inspizieren konnte.
    »Sieh an«, sagte er gutgelaunt. »So viele Äderchen sind geplatzt, daß das Weiße ganz rot ist – es sieht aus, als wollten die Augen aus den Höhlen springen. Was meinst du, Rainfarn? Es muß in der aufregenden Welt, in der wir leben, viele unentdeckte Nutzanwendungen für Annisgift geben. Vielleicht sollten wir dir das als neues Projekt auftragen.«
    Rainfarn hielt sich das Gesicht, als wollte er verhindern, daß es in seine Einzelteile zerfiel. »Gewiß, Junker

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