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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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etwas derart normal Aussehendes eine Waffe sein konnte. Er hatte sich nicht vorstellen können, weshalb man darum ein solches Getue machte.
    »Hier ist unser Wort«, fuhr Knopf fort. »Hier ist das Vadium, die Verkörperung unseres alten Gelübdes.« Sein unbewegtes Gesicht wurde vollends unergründlich. Seine Augen schlossen sich. »Im vollen Wissen darum, was ich tue, und aus eigenem Antrieb, ja mit frohem Herzen befreie ich hiermit mein Volk von diesem Vertrag mit seinen Bedrückern.« Seine Klauenhände streckten den Stock vor. Er brach ihn entzwei und ließ die beiden Hälften vor sich auf die Steine fallen.
    »Heute freuen sich unsere Ahnen.« Dreck Laus Knopf öffnete seine gelben Augen wieder. »Heute seid ihr frei. Ähem. Heute seid ihr alle frei, jeder einzelne von euch, einerlei wer ihr seid, einerlei was man euch erzählt hat. Nutzt diese Freiheit, wie es euch richtig dünkt.«
    Dann war er verschwunden, und statt dessen kamen wieder Straßenszenen mit aufgeregten Massen von Goblins und vielen anderen Elfen, unmittelbar gefolgt von Kommentatoren, die den freigewordenen Spiegel hastig mit hektischen Analysen füllten.
    »Viele Leute werden Eisen zu schmecken bekommen, bevor dieser Tag vorbei ist«, war alles, was Anton Nieswurz dazu zu sagen hatte, aber er sah erstaunlich verunsichert aus. Er befahl dem Fahrer, das Tempo zu erhöhen. Sie wichen in kleinere Straßen aus, um den umtriebigen Scharen auszuweichen, die inzwischen sämtliche großen Kreuzungen zu blockieren schienen.
     
    K nopfs überraschender Publicitycoup hatte Theos Stimmung ein wenig gehoben, aber die Wirkung hielt nicht an. An den bedrückenden Tatsachen hatte sich nichts geändert: Knopf hatte vorher zugegeben, daß er nicht genug potentielle Revolutionäre an der Brücke hatte, um die Sicherheitskräfte auch nur eines der führenden Häuser zu besiegen. Wenn er meinte, daß er andere in der Stadt dazu aufrütteln konnte, sich zu erheben und zu ihm stoßen, dann hatte er bei seiner Rechnung den Schrecken nicht bedacht, den nur einer von Nieswurz’ gebändigten Drachen verursachen würde. Wie sollten sie solchen Ungeheuern entgegentreten, wie sollten sie mit Steinen und Stöcken und Schaufeln dagegen ankämpfen? Hunderte, ja Tausende würden auf der Stelle zu Asche verbrennen, und damit war dann der Aufstand vorbei.
    Trotzdem füllten sich die Straßen unübersehbar – nach Theos Einschätzung mehr mit Leuten, die beruhigt und informiert werden wollten, als mit heißblütigen Revolutionären, die entschlossen waren, einem komischen kleinen Goblin in den Ehrentod zu folgen, aber auf jeden Fall schienen die herrschenden Geschlechter sich Sorgen zu machen. Die Spiegelsprecher berichteten betroffen von Unruhen, die in der Siedlung Hügelgräber am Rand der Stadt ausgebrochen waren, und von einem Arbeiterausstand im Hafenviertel Ostwasser. Selbst das Feuer in Dowds Lagerhaus wurde als ein Angriff gegen die bestehende Ordnung gedeutet, was nicht weiter verwunderlich war, da es mittlerweile lichterloh brannte. Die Bilder zeigten gut dreißig Meter hoch schlagende Flammen, und ein Nix von der Feuerwehr erklärte, es sei so heiß, daß seine Männer gar nicht richtig herankamen, sie könnten nicht mehr tun als verhindern, daß es sich weiter ausbreitete, und er rechne damit, daß sie Tage brauchten, bis sie es unter Kontrolle hatten.
    Anton Nieswurz bedachte das mit einem kurzen Lachen, aber im allgemeinen wirkte er nicht besonders glücklich.
    Nachdem sein kurzer Hoffnungsschimmer erloschen war, verfiel Theo wieder in Verzweiflung. Die Nieswurz-Residenz wuchs vor ihnen immer mehr in die Höhe, eine unheimliche Silhouette vor dem harten grauen Licht des rauchigen Himmels, und ihm war, als sähe er etwas aus dem Leben von jemand anderem, ein Bild aus einem alten Film oder einem Bericht zu Hause im Fernsehen, das er beim Gang von einem Zimmer ins andere mit halbem Auge aufschnappte. Er wußte, daß er auf seinen eigenen Tod zufuhr, und trotzdem konnte er nur das größer werdende Gebäude anglotzen und sich phlegmatisch fragen, wie lange er wohl warten mußte, bis der ganze Horror vorbei war.
    Dowd hat ihnen geholfen, Cats Baby zu töten. Unser Baby. Egal, was sie von mir haben wollen, sie werden es kriegen. Knopf und die andern werden zu schwarzen Cornflakes verbrennen und im Wind verwehen.
    Etwas rumorte in ihm wie eine ins Bewußtsein drängende Erinnerung, doch es war keine Erinnerung, nur ein bildloser innerer Anstoß, ein Geisterschubs. Er

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