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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schreibtisch gehen und Wiedersehen feiern.«
    Theo hörte im Hintergrund Anton Nieswurz protestieren, hörte seinen Vater mit tiefer, amüsierter Stimme etwas erwidern, aber er achtete nicht darauf. Er begab sich zum Schreibtisch und hatte dabei so lange ein völlig normales Gefühl, wie er sich nicht zur Seite bewegte. Als er das versuchte, überkam ihn augenblicklich eine Art Taubheit, die anhielt, bis er den Fuß wieder in die andere Richtung setzte.
    Mehr oder weniger aus freiem Willen blieb er vor dem Schreibtisch stehen. Da stand sie, die winzigen Hände gegen die Innenseite der Glasglocke gepreßt. »Ach, Theo, es tut mir leid«, sagte sie. Er konnte sie kaum hören.
    Tränen traten ihm in die Augen. »Es ist meine Schuld, nicht deine.«
    Sie sagte etwas, das er nicht verstand.
    »Was?«
    »Du darfst die Glocke abheben«, bemerkte Nieswurz.
    »Vater, hältst du das für klug?«
    »Hebe die Glocke ab!«
    Theo wünschte nur, er wäre früher darauf gekommen, damit es sich wie seine eigene Idee, seine eigene Tat angefühlt hätte. Seine Hände strebten zu der schweren Glasglocke hin und hoben sie von ihrem Untersatz ab. Apfelgriebs wedelte kurz mit den Flügeln, dann erhob sie sich vor ihm in die Luft. Auch sie weinte, und das traf ihn härter als alle Schmerzen, die er bis jetzt erduldet hatte. »Ich fühl mich schrecklich, daß ich dich in diesen Schiet reingezogen hab, Theo, ganz ehrlich.«
    »Was redest du für ein Zeug? Du kannst doch nichts dafür.«
    »Ich war es schließlich, die dich aus deiner Welt hierhergebracht hat.« Sie war blaß und knochendürr und hatte blaue Ringe unter den Augen, wie von Schlägen.
    »Schön, dich zu sehen, Apfelgriebs«, sagte er leise. »Wirklich. Ich dachte … Wuschel und ich dachten, du wärst tot.«
    Sie warf Wuschel Segge einen mitfühlenden Blick zu, doch da sah sie, wer neben ihm stand, und erstarrte. »Rainfarn«, sagte sie langsam. »Alle Bäume noch eins, wie kommst du denn hierher, du Verräter? Ich hab gehört, wie Nieswurz von dir gesprochen hat. Du hast uns ans Messer geliefert, du verlogenes, mörderisches …!«
    Bevor Theo oder sonst jemand eingreifen konnte, war sie durch den Raum gesaust und schwirrte um Quillius Rainfarn herum wie eine wütende Hornisse. Er schlug nach ihr. »Haltet sie! Mein Gesicht, sie wird … So töte sie doch jemand!«
    Nieswurz sagte mit tiefer, ruhiger Stimme: »Tritt ans Fenster!«
    Theo fragte sich, wen der Elfenfürst damit meinte, und erhielt prompt die Antwort, als seine Beine ihn zu dem nächstgelegenen Panoramafenster trugen. Er versuchte sich zu sträuben, doch es ging nicht: Es war, als würde Nieswurz direkt in sein Rückgrat hineingreifen und an den Nerven ziehen wie an den Fäden einer Marionette. Das Stadtbild flackerte und verzerrte sich und löste sich dann ganz langsam auf wie eine in Zeitlupe platzende Seifenblase. Dahinter kam ein anderes Fenster mit genau derselben Stadtansicht zum Vorschein. Nieswurz muß Spiegelbildschirme vor den Fenstern haben, damit er sich außer der Aussicht noch andere Sachen anschauen kann, dachte Theo benommen. Er hat Spinnen, Drachen, die ganze moderne Technik … Da glitt das äußere Fenster auf wie ein riesiges Augenlid, und Theo fühlte, wie kalte Luft ihm entgegenschlug.
    »Halt!« schrie Apfelgriebs. »Schon gut, Nieswurz, ich bleibe Rainfarn vom Leib – aber laß ihn nicht weitergehen!«
    Theo machte noch drei Schritte, bevor er im Rahmen des offenen Fensters stehenblieb. Mit jedem Schwanken im Wind wurde ihm bewußt, wie leicht er zu weit überkippen und ins Leere stürzen konnte, bis er nach einem langen Fall unten am Boden aufschlug. Ein paar kleine Regentropfen stippelten ihm auf Wangen und Stirn. Wenn Nieswurz es falsch einschätzte, wie lange er sicher auf seinen müden Beinen stehen konnte, dann war der Sturz unvermeidlich …
    »Fee, ich habe dich aus dem Glas gelassen, weil du jetzt, wo wir den letzten der Veilchen in unserer Gewalt haben, nicht mehr von Belang bist«, sagte Fürst Nieswurz. »Aber wenn du einen meiner Untergebenen angreifst, wirst du lästig. Ich habe nicht vor, unsere Zeit mit einer würdelosen Jagd auf dich zu verschwenden, und erinnere dich ein letztes Mal daran, wer hier über die Kraft gebietet.«
    Apfelgriebs schwebte immer noch über Rainfarn, knapp außer Reichweite. »Aber nachdem du dir soviel Mühe damit gemacht hast, ihn zu schnappen, würdest du ihn nicht einfach aus dem Fenster schmeißen, oder?« Ihr trotziger Widerstand war nicht

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