Der Blumenkrieg
Aufpasser stießen ihn so brutal auf einen Sitz in der mittleren Kutsche, daß er um Apfelgriebs fürchtete, die noch immer an seinem Hals hing. Fürst Nieswurz und Rainfarn und zwei Ogerleibwächter stiegen hinterher, wobei die Oger noch massiger waren als üblich, weil sie dicke Kugelschutzwesten anhatten. Das Schreckliche Kind kam zuletzt.
»Du bleibst, wo du bist, bis ich dir etwas anderes sage«, befahl Nieswurz Theo, und das war, wie er feststellte, buchstäblich wahr: Er konnte zwar den Kopf bewegen und seine Sitzhaltung geringfügig verändern, aber es war gar nicht daran zu denken, daß er aufstand und irgendwo hinging.
Zuerst konnte er durch die Kuppel, in der sie saßen, nichts erkennen außer dem trüben, funzeligen Glühen der Lichter an der Garagendecke, doch als sie die Rampe hinauf und dann nach draußen in den gefilterten Sonnenschein fuhren, sah er alles ringsumher mit völliger Klarheit, so als ob sie ein offenes Verdeck hätten und nichts zwischen ihnen und der Außenwelt wäre als eine Sonnenbrille mit UV-Filter. Auf dem Gelände war nichts Ungewöhnliches zu bemerken, und die Reihen der Wachen schwenkten rasch an den Straßenrand, um sie durchzulassen, doch als sie zwischen den klotzigen Wachhäusern hindurchfuhren, sah Theo, daß in der kurzen Zeit seit seiner Ankunft dramatische Veränderungen vor sich gegangen waren. Auch in den Straßen des Stadtteils Mondschein drängten sich mittlerweile die Massen, und die Goblins und anderen Elfen vom unteren Ende des gesellschaftlichen Spektrums sahen aus, als ob sie wütend wären.
Obwohl das Erscheinen der Nieswurz-Kutschen die aufgebrachte Menge ein wenig überraschte, kamen etliche angerannt, um ihnen den Weg zu versperren. Die Kampfkutschen fuhren einfach weiter; Theo sah wenigstens einen ziegengehörnten Elf fallen und unter den Rädern des vordersten Fahrzeugs verschwinden. Statt die übrige Meute abzuschrecken, machte sie das erst richtig wild, und viele andere stürmten von den Bürgersteigen herunter. Die Kampfkutsche an der Spitze rammte noch einige von ihnen, bevor sie anhalten mußte. Die Aufständischen drängten von allen Seiten heran und schlossen auch Theos Kutsche ein. Etliche drückten sich die Nasen an der Kuppel platt, eine Palette bizarrer Gesichter, die aussahen wie einem Gemälde von Bosch entsprungen. Fäuste donnerten an die Türen. Ein paar Wagemutigere kletterten auf die Motorhaube.
»Es sind zu viele, mein Fürst«, ließ sich der Fahrer aus dem Führerhaus vernehmen.
»Fahr sie über den Haufen!« sagte Nieswurz.
»Es sind zu viele«, bekräftigte eine andere Stimme, auch wenn dem Mann die Furcht, daß er seinem Herrn widersprechen mußte, deutlich anzuhören war. »Hier spricht Kutsche eins. Die Radläufe sind schon blockiert. Noch ein paar Leute, und wir kommen nicht mehr vom Fleck und setzen uns damit einem untragbaren Risiko aus – weiter unten auf der Straße reißen sie bereits Pflastersteine heraus, damit wir nicht weiterfahren können. Ein paar Brandbomben können wir überstehen, mein Fürst, aber wenn wir festsitzen, werden irgendwann unsere Hitzeschildzauber überlastet sein …«
»Setz die Geschütze ein!«
»Aber hier in der Straße stehen Hunderte von unbeteiligten Zuschauern herum, nicht nur die Aufrührer, die uns den Weg versperren …«
»Setz die Geschütze ein, oder ich werde dich dem Mob vorwerfen lassen.« Nieswurz lehnte sich in seinem Sitz zurück. »So, Rainfarn, und jetzt berichte mir, was beim Beseitiger vorgefallen ist. Ich hatte keine Zeit, mir die Mitschnitte aufmerksam anzuhören.«
Ein lautes Rattern wie von einer Bandsäge scholl durch die Blase von Theos Fahrzeug, und gleichzeitig spie der vorderste Wagen seitlich und vorne Maschinenfeuer aus, das die nächsten Aufständischen in feine rote Partikel zerstäubte und viele andere im Umkreis von bestimmt hundert Metern niedermähte. Im Nu rutschten die Leute von Theos Fahrzeug herunter, ohne sich darum zu kümmern, daß sie die langsameren Verwundeten umstießen und auf die Hingefallenen traten, und glitschten und stolperten in kopfloser Flucht auf der blutbespritzten Straße davon. Der Wagen an der Spitze fuhr mit einem Ruck wieder an, doch es waren immer noch zu viele Körper im Weg, und wieder ertönte das mechanische Knattern. Etwas klackte auf die Motorhaube von Theos Kutsche, rollte halb das Fenster hinauf und gleich wieder hinunter. Es war nicht einfach eine Kugel, wie er mit einem raschen Blick erkannte, sondern eher etwas
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