Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Fürst Eisenhut nicht mehr den Oberbefehl über die Schutzleute haben. Das Ganze ist ein Debakel. Nun ja, ich werde tun, wozu seine Männer nicht in der Lage sind.«
    Theo war zu sehr davon abgelenkt, was er am echten Himmel über ihnen sah, um den Kämpfen große Beachtung zu schenken, die sich Schutzleute und berittene Grimbolde auf dem Strohblumenplatz mit seinen verwüsteten Brunnen, Bänken und öffentlichen Spazierwegen lieferten. Wie von einem einzigen Faden gezogen kamen drei riesenhafte Schlangengestalten aus den Wolken herab. Der Anblick glich so sehr dem furchtbaren Tag in der Narzissen-Residenz, daß er beinahe ohnmächtig wurde und im ersten Moment an eine Bewußtseinsspaltung glaubte, durch die ein Teil von ihm immer dieselbe Schleife durchlief, in der Drachen wie lebendige Geschosse auf ihn zuflogen.
    Die gewaltigen Bestien stießen so schnell herab, daß es aussah, als müßten sie auf dem Hügel landen, wo Theo sich befand, die Kutschen zerstören und alle darin mit, Nieswurz und Theo und Apfelgriebs und das monströse, rosige Kind. Halb betete er darum, als er die dunklen Leiber weiter in ihre Richtung stürzen sah. Dann jedoch, knapp hundert Meter über ihnen, spannten sich drei mächtige Paare fledermausähnlicher Flügel aus, und die Drachen gingen abrupt vom Sturzflug in den Gleitflug über. Sie strichen so dicht über den Park hinweg, daß der Luftzug die Ogerleibwächter auf die Knie warf, Äste von den sich niederbeugenden Bäumen abriß und die Kutschen in heftiges Schaukeln versetzte. Theo konnte erkennen, daß der vorderste Drache einen Reiter hatte, eine kleine, menschenähnliche Gestalt in einem Glaskasten, der unmittelbar vor den Flügeln an dem langen Hals festgebunden war. Der widerliche Gestank der Ungeheuer nach Schwefel und etwas Säuerlichem, das an das Alligatorenbecken im Aquarium von San Francisco an einem heißen Tag erinnerte, hing immer noch in Theos Nase, als die Drachen selbst schon zu kleinen und ständig kleiner werdenden Punkten vor der Stadtsilhouette geschrumpft waren.
    So grauenvoll ihr Vorbeiflug gewesen war, konnte er doch nicht anders, als sich mit einer Art todunglücklicher Faszination dem Kutschenfenster zuzuwenden, das den Strohblumenplatz zeigte, weniger weil er sehen wollte, was gleich geschah, als weil er mußte. Zeuge eines solchen Grauens zu werden, rief ein Gefühl extrem gesteigerter Lebendigkeit hervor, das wußte er mittlerweile: es brachte das Blut in Wallung. Wer dem Tod zusah, einerlei wie schrecklich, war selbst am Leben, wenigstens noch ein Weilchen.
    Auf dem Spiegelbild des Platzes erschienen die Drachen zunächst als lange Schatten, die so rasch über die Menge dahinpeitschten, daß viele der Kämpfenden nicht einmal aufschauten – aber allen, die sie erblickten, war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, selbst den Parlamentswächtern. Nur die Mienen der Grimbolde blieben hart und kalt, als ob ein lange vorhergesehenes Ereignis endlich eingetreten wäre, obwohl sie sich von ihren Einhörnern warfen und wie der Rest der schreienden Masse schleunigst Schutz suchten. Die Drachen sausten vorbei wie Düsenjäger bei einer Flugschau, wobei sie hinter sich die reinsten Schmutz- und Mülltornados aufwirbelten und hier und da den Aufständischen sogar Kleidungsstücke vom Leib rissen. Einen Moment lang waren die Monster aus der Szene, die Theo sah, spurlos verschwunden, so daß Tausende von kopflos in alle Richtungen fliehenden Leuten von einer Massenpsychose erfaßt zu sein schienen, doch da legten sich die Schatten abermals über den Platz, unmittelbar gefolgt von Feuer.
    Der erste heftige Stoß fegte über die breiten Stufen vor dem Palais Neuer Hügel wie ein rotgelber Flammenbesen – ein Besen, der das, was ihm im Weg war, nicht nur wegkehrte, sondern es augenblicklich verbrannte. Die Flammen waren so heiß, daß die schlagartig verglühten fliehenden Opfer einen Moment lang ihre Form behielten, bevor sie in wirbelnde Funken zerstoben.
    Apfelgriebs weinte laut an Theos Ohr, er aber hatte keine Tränen mehr. Er konnte nur schlaff und taub zusehen: Zum zweitenmal mußte er Augenzeuge eines Grauens werden, das niemand auch nur einmal mit ansehen sollte.
    Das Auge des Spiegelbildschirms schwenkte jetzt rasch vom Ort der Zerstörung ab und richtete sich auf eine andere Stelle des Platzes. Durch die ruckartige Bewegung aus seiner Gebanntheit gerissen fand Theo eine kurze Erholung in der Überlegung, was das für Vögel sein mochten, magische oder

Weitere Kostenlose Bücher