Der Blumenkrieg
diese unruhig wurden und untereinander zu streiten begannen. Das war Knopfs Werk, kein Zweifel. Irgendwie war es ihm gelungen, wilde Grimbolde in die Stadt zu schmuggeln … wilde Grimbolde und obendrein noch ihre Einhörner …
»O Gott«, sagte er leise. »Wir waren das!«
»Was?« Apfelgriebs beugte sich dicht an ihn heran.
»Nichts. Das erzähl ich dir später … falls es ein Später geben wird.« Er wollte sich nichts von dem Schauspiel entgehen lassen, aber er war sich jetzt sicher, daß die Einreisegenehmigung in die Stadt, die er und Segge für eine Person und ein Stück Vieh erhalten hatten, mit Hilfe von Stracki Nessels absonderlicher Begabung vervielfacht worden war. Liebe Güte! Knopf muß sie an jedem einzelnen Kontrollpunkt eingeschleust haben, ein Dutzend hier, ein Dutzend dort … Ein warmes Gefühl des Stolzes durchströmte ihn, Stolz darauf, daß er mitgeholfen hatte, diese Brechstange in Nieswurz’ glatt laufendes Räderwerk zu rammen.
Und wie es aussah, handelte es sich um eine ziemlich wuchtige Brechstange. Es war mittlerweile so gut wie unmöglich, richtig schlau aus dem zu werden, was sich auf den Spiegelbildschirmen rings im Raum abspielte: Mehrere kleine Feuer waren an den Rändern des Palais Neuer Hügel aufgeflammt, ein paar sogar auf dem Dach. Theo verstand nicht, wie sie es geschafft hatten, dort oben Feuer zu legen, bis er sah, wie einer der wilden Goblins sich im Sattel zurücklehnte und einen Brandpfeil durch eines der Obergeschoßfenster des Parlamentsgebäudes schoß. Die Aufrührer und die berittenen Grimbolde schienen die Oberhand zu haben, denn alle Parlamentsschützer lagen tot oder verwundet am Boden oder waren im Rückzug begriffen. Die Grimbolde formierten sich neu und überließen das Feld den Aufrührern, die im Überschwang der Begeisterung Bänke aus ihrer Verankerung rissen und als Rammböcke benutzten, um das Eingangsportal des Palais Neuer Hügel zu zertrümmern. Eine Flut goldener Käfer ergoß sich aus der aufgebrochenen Tür: Sie flitzten über die Stufen davon und rannten in blinder Hast einer hinter dem anderen direkt in einen brennenden Abfallhaufen. Bleiche, ängstliche Gesichter spähten oben aus den Fenstern. Theo überlegte, ob sie ihm leid tun sollten – viele waren wahrscheinlich nur Befehlsempfänger, die jetzt zwischen dem Feuer und einer aufgebrachten Meute in der Falle saßen –, aber im Moment hatte er genug eigene Probleme.
Ein Wort, ein grauenhaftes Wort riß ihn abrupt aus seinen Betrachtungen.
»Aber wenn du die Drachen einsetzt«, sagte Stechapfel, »kann es sein, daß wir durch das Ausmaß der Zerstörung hier tagelang festsitzen.«
Theo fuhr zusammen, als ob er einen Schlag in die Magengrube bekommen hätte. Diese riesige schwarze Schlange am Himmel …
»Wir können nicht so lange warten, Nidrus, das weißt du«, fuhr Stechapfel fort. »Du hast selbst gesagt, daß die Beschwörung nur eine kurze Zeit lang praktikabel ist. Sollen Eisenhut und seine Leute sich darum kümmern. Die Rache muß warten, ich bestehe darauf.«
Nieswurz blickte den Ratsvorsitzenden Elfiens mit harter, ausdrucksloser Miene an, und zum erstenmal erkannte Theo, daß zuviel Rationalität eine Form von Wahnsinn sein konnte. »Ich glaube nicht, daß du auf irgend etwas bestehen kannst, Aulus. Du hast recht, daß die Zerstörung unsere Pläne durchkreuzen wird, aber das heißt keineswegs, daß wir diesen Hautfressern nicht eine Lektion erteilen werden. Es heißt lediglich, daß wir schneller handeln müssen als ursprünglich vorgesehen.« Er berührte abermals seinen Schreibtisch. »Macht drei Kampfkutschen bereit! Wir brechen sofort auf.« Er lächelte seinen Mitverschwörer an, der jedoch nicht zurücklächelte. Es war eine der beklemmendsten Szenen, die Theo je gesehen hatte. Wenn er Stechapfel wäre, dachte sich Theo, dann würde er zusehen, daß er sich so schnell wie möglich in eine andere Welt absetzte, denn in diesem Hundezwinger hier würde es offensichtlich sehr bald schon nur noch einen Leitrüden geben. »Wir werden uns umgehend zum Dom begeben. Wenn wir Glück haben, werden wir nicht nur unser Werk vollbringen, sondern unterwegs auch noch an ein oder zwei hervorragenden Aussichtspunkten vorbeikommen, wo wir kurz anhalten und uns anschauen können, wie dieser undankbare Pöbel seine gerechte Strafe bekommt.«
In dem Moment traten sechs bewaffnete Schutzleute und zwei Ogerwächter derart plötzlich ins Zimmer, daß selbst Stechapfel und Fingerhut
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