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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht etwa dir selbst.« Er hielt inne und schnupperte. »Diese Fee ist immer noch bei dir, nicht wahr, und versteckt sich irgendwo. Ich kann sie riechen.« Er leckte sich die Lippen und riß weit die Augen auf – eine groteske Parodie kindlichen Appetits. »Hmmm! Schade, daß ich heute nachmittag schon reichlich gegessen habe – sie wäre sehr süß, glaube ich. Und knackig.«
    Der Ekel war stärker als Theos Erschöpfung und Grauen, gab ihm sogar ein wenig Kraft. »Du bist stolz darauf, kein Mensch zu sein, stimmt’s? Du hast es genossen, als unser Kind getötet wurde, das Baby, mit dem Cat schwanger war. Eamonn Dowd war vielleicht ein Schuft, hat vielleicht dabei mitgewirkt, aber er hat es nicht so genossen wie du. Ja, ich kann es fühlen – dieses Gedankentrinken geht nicht nur in eine Richtung. Jesses, und du meinst wirklich, du wärst was Besseres als ich?« Theo tat einen zitternden Atemzug. Das Sprechen fiel ihm schwer, aber er konnte sich von dem kleinen Widerling nicht einfach verhöhnen lassen.
    »Ich bin, was ich bin.« Das Lächeln blitzte wie ein kalter Knochen. »Ich habe in meiner kurzen Zeit tausend Leben gelebt, habe Millionen unbeschreiblicher Dinge gesehen, während du durch ein einziges nichtiges Leben getrottet bist und selbst das verpfuscht hast. Dein sinnloses Dasein wird heute enden, aber meines wird weitergehen. Seit meiner ersten Stunde in Elfien werde ich auf diesen Tag vorbereitet. Eines Tages werde ich dem Universum wie einer Zitrone seine innersten Geheimnisse ausquetschen.«
    Nicht so sehr, daß dieses seelenlose Ding eine jüngere Version seines eigenen Gesichts zur Schau trug, nicht so sehr das, was es sagte, nein, vielmehr die Tatsache, daß sich in ihm die Gesichtszüge seiner beiden Eltern verbanden, trieb Theo schließlich Tränen in die Augen. Er hatte es nicht besser verstanden, seine Mutter und seinen Vater zu lieben, als umgekehrt, aber es hatte so etwas wie Liebe zwischen ihnen gegeben, wenn auch noch so dumpf und unausgegoren. Dieser Greuel ließ alles als den blanken Hohn erscheinen. Er nahm noch einmal sein letztes bißchen Kraft zusammen. »Ich werde dich vernichten.«
    »Sprich nicht mit ihm, Theo, bei den Bäumen, sprich nicht mit ihm!« flüsterte Apfelgriebs ihm ins Ohr. »Er wird dich nur vergiften.«
    Er ächzte. Um mehr zu sagen, war er ohnehin zu zerschlagen.
    Das Kind lachte und kehrte sich wieder dem Fenster zu. Mich vernichten? Wohl kaum. Der Strom fremder Gedanken drängte sich in Theos Bewußtsein, eine kalte, peinigende Kraft, gegen die er machtlos war. Du bist im Grunde gar nicht Septimus Veilchen, und Theo Vilmos bist du ganz gewiß nicht. In Wirklichkeit bist du ein Nichts.
    Sie waren auf der Kuppe eines Hügels am Rande des Stadtteils Mondschein angekommen, weit weg von den Straßenunruhen, als Nieswurz den Konvoi anhalten ließ und die drei Kutschen auf der Rasenfläche eines penibel gepflegten kleinen Parks stehenblieben. Unter ihnen lag die Stadt. An vielen Stellen stiegen jetzt Rauchfahnen empor, vor allem unten am Hafen, wo das Lagerhaus des Beseitigers, getreu Anton Nieswurz’ Ankündigung, immer noch brannte wie der Kern der Sonne. Ein weiteres großes Feuer wütete im Stadtzentrum nahe dem bleichen Stachel der Nieswurz-Residenz.
    »Warum halten wir an, Herr?« fragte Rainfarn. »Werden wir angegriffen?«
    »Sie sind unterwegs«, sagte Nieswurz, was allerdings keine rechte Antwort zu sein schien. Er hob die Stimme, redete vielleicht mit dem unsichtbaren Fahrer der Kutsche. »Gib mir meine Vögel. Ich will eine Nahansicht des Strohblumenplatzes haben.«
    Die zwei Oger stiegen aus – die ganze mächtige Kutsche schaukelte, als sie um das Gewicht der beiden erleichtert wurde – und sondierten rasch die Umgebung. Als sie sich zu ihrer Zufriedenheit davon überzeugt hatten, daß in dem Park kein Hinterhalt drohte, stellten sie sich in die trübe Sonne, streckten ihre langen, muskelbepackten grauen Arme und flüsterten leise miteinander. Die Blasenkuppel der Kutsche flackerte genau wie vorher die Fenster in Nieswurz’ Penthousebüro, und plötzlich war auf einer Seite das Stadtpanorama verschwunden, und an seiner Stelle sah man auf Straßenniveau die Unruhezone um das Parlament herum, so als ob die Kutsche, in der Theo saß, plötzlich wie ein U-Boot in das Stadtzentrum abgetaucht wäre.
    »Die Truppen sind verstärkt worden, aber ich sehe immer noch Widerstand«, bemerkte Nieswurz. »Zuviel Widerstand. Ich denke, wenn das hier vorbei ist, wird

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