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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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furchterregend fernen Wipfel in einer am Boden gar nicht zu merkenden Brise gewesen wären, beinahe für titanische Baumstatuen statt für lebende Wesen halten können, eine Art Baummuseum für junge Götter, in dem jedes Schaustück seinen eigenen Sockel hoch über dem See hatte.
    Während die letzten Mitglieder des Konvois ausstiegen und sich neben den See stellten, blickte Theo auf das weite, spiegelklare Wasser hinaus. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet, und er konnte jetzt einen Buckel in der Mitte erkennen, eine unscheinbare flache Insel mehrere hundert Meter vom Ufer entfernt, die in dieser majestätischen Umgebung völlig fehl am Platze wirkte, jedenfalls soweit der Dunstschleier ihre Umrisse freigab. Auf der Insel standen keine hohen Bäume; sie war mit Gras und Gebüsch bewachsen, wodurch sie vor dem Hintergrund des Waldes am Ufer gegenüber schwer zu erkennen war, doch selbst durch den Nebel und bei dem trüben, ortlosen Licht spät am Tag sah Theo in der Mitte der Insel etwas funkeln wie einen Haufen Diamanten.
    Nieswurz schritt an den Rand des Sees und hob die Hand mit einer gebieterischen Geste, um deren Selbstverständlichkeit ihn jeder römische Kaiser beneidet hätte. Zuerst dachte Theo, daß er einen seiner Leibwächter oder seinen Sohn zu sich befahl, doch dann löste sich ein langes, flaches Boot aus dem Schatten an der Wasserlinie der Insel und steuerte über den See hinweg auf sie zu, im Heck eine vermummte Gestalt. Selbst für Theos müde Augen war das alles ein bißchen zuviel. War das jetzt der sagenumwobene Fährmann aus den alten Mythen, der ihn holen kam? Aber in der Sage war das Wasser ein Fluß gewesen, nicht wahr? Es war schwer, inmitten dieser ganzen alten Geschichten zu leben und den Durchblick zu behalten. Im Grunde war ihm zumute, als würde er von einer Geschichte gefressen … einer Geschichte mit Zähnen …
    Das Boot kam rasch näher, und als es lautlos ans Ufer glitt, waren für Theos Gefühl erst ein oder zwei Minuten vergangen. Ihm blieben nur noch so wenige Minuten, und selbst an diesem Ort der wie geronnen wirkenden Zeit verflogen sie auf einmal so rasch! Der kleine, schlanke Mann darin hatte ein sympathisches Gesicht mit einer langen Nase, Ohren, auf die eine Fledermaus stolz gewesen wäre, und einem Schock ergrauender Haare. Er war mit einem glänzenden Reif um den Hals an die Bank gekettet, und nach dem zu urteilen, was unter seinem Gewand hervorschaute, hatte er fellbedeckte Beine und Ziegenfüße.
    »Immer noch hier, wie ich sehe«, sagte Nieswurz.
    »Dank deiner Kette um meinen Hals, mein Fürst«, erwiderte der bocksbeinige Mann mit einer leichten Verbeugung. Er hatte eine hohe und äußerst melodiöse Stimme, und Theo überlegte sich, daß er ihn in einer anderen Geschichte, einer mit einem glücklichen Ausgang, gern einmal singen gehört hätte. »Das Eisen darin brennt des Nachts und hindert mich am Schlafen. In all meinen einsamen Stunden denke ich an dich. Du bist nicht zufällig gekommen, um dich in einem Anfall von Reue zu ersäufen, was?«
    Nieswurz verschwendete keine Energie auf ein Lächeln oder ein Stirnrunzeln. »Nein. Wir werden alle zur Insel übersetzen.«
    Der sympathische kleine Mann neigte den Kopf. »Nidrus Nieswurz, es soll geschehen.« Jetzt, wo er näher dran war, sah Theo, daß das Gesicht des Fährmannes weitaus weniger menschlich war, als er eingangs gemeint hatte.
    Fürst Nieswurz warf einen Blick zurück auf die kleine Schar aus den Kutschen, die sich hinter ihm am Wiesenufer versammelt hatte – acht oder zehn Schutzleute, ein halbes Dutzend Ogerleibwächter, Nieswurz’ Sohn und Stiefsohn sowie die anderen Elfenadeligen (obwohl zumindest Rainfarn so aussah, als würde er liebend gern zurückbleiben, und auch Fürst Fingerhut ein wenig nervös wirkte), dazu die Gefangenen Wuschel und Theo –, dann musterte er das Boot, einen kleinen Nachen aus uraltem schwarzen Holz. »Wie viele Überfahrten?« fragte er.
    Der Fährmann lächelte. »Alle werden zusammen übersetzen, mein Fürst.«
    Nieswurz befahl Theo, ins Boot zu steigen. Es schaukelte leicht, als er vom Rand des Sees hinübertrat, und Apfelgriebs krallte sich fest in seine Haare, doch selbst in seinem erschöpften und resignierten Zustand hatte er keine Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Die Schutzleute schoben ihn weiter ins Heck, damit die übrigen nachfolgen konnten, und nur die drei Dooniechauffeure in ihren insektoiden Anzügen blieben bei den Kampfkutschen zurück. Wie

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