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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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verstörenden Flirren auf der Kuppe des niedrigen Hügels, obwohl alle diese Faktoren zu seiner Verwirrung beitrugen. Es war vielmehr etwas an dem Ort selbst, eine ihm innewohnende extreme Anomalie, die den Eindruck erweckte, daß die urzeitliche Stille im Ring der Riesenbäume hier noch konzentrierter und doch paradoxerweise zugleich wolkiger wurde, ein unbegreifliches Pulsen im unbewegten Herzen Elfiens, das Theos Sinne ebenso irritierte, wie der Magnetismus am Nordpol Kompasse durcheinanderbrachte.
    Bald, flüsterte die gierige Stimme in seinem Kopf, doch sie redete jetzt mehr mit sich selbst als mit ihm, ein leises kindliches Gemurmel der Ungeduld und des Hungers. Bald, bald … Dies war seine Stunde, und Theo konnte höchstens Vermutungen darüber anstellen, durch was für Greuel vor diesem krönenden Augenblick ein Wesen geschaffen worden war, das sich derart hämisch darauf freute, eine ganze Welt mit Wahnsinn und Vernichtung zu überziehen.
    Was er trotz des desorientierenden Charakters des Ortes und seiner eigenen aussichtslosen Situation erkennen konnte, war, daß die Insel vom Wasser zur Spitze sanft anstieg und so einen breiten, niedrigen Hügel mit ungleicher Grasdecke und knorrigem Buschwerk bildete. In einer Mulde ganz oben, vom Fuß der Anhöhe aus nicht einzusehen, lag die Ursache für jenes gebrochene Licht, das unruhig flimmernd über dem Hügel hing, als ob etwas unter Qualen versuchte, einen Regenbogen zu gebären.
    Sie marschierten den Hügel hinauf, angeführt von Fürst Nieswurz, dessen makellos weißer Anzug ihr leuchtender Wegweiser war. Unmittelbar hinter ihm trippelte das kleine Monster mit Theos Gesichtszügen auf seinen kurzen Beinchen und wirkte dabei selbst in seinen Bewegungen aufgeregt, ganz als wäre es ein normales Kind, das auf einen Zoobesuch mitgenommen wird. Als nächste kamen Theo und Wuschel, vorwärtsgestoßen von behelmten Schutzleuten, dann Rainfarn, Anton Nieswurz, Fingerhut und Stechapfel sowie die restlichen Wachen. Die Ogerleibwächter bildeten lautlosen Schritts die Nachhut und spähten aufmerksam in die Umgebung, obwohl das Gelände bestens überschaubar war.
    »Jetzt sind wir richtig in der Mitte«, flüsterte Apfelgriebs mit erstickter Stimme. »Noch nie …« Sie brach ab. »Ich hab mir sagen lassen …« Wieder gingen ihr die Worte aus. »Es ist hier, Theo.«
    »Was?« flüsterte er zurück, nach Kräften bemüht, Ruhe zu bewahren und seine umherschweifenden Gedanken zu sammeln. »Was ist hier?« Irgendwie schien das Gespräch mit Puck ihn von Nieswurz’ Stummheitsbann erlöst zu haben. Ein kurzer Schimmer der Hoffnung – vielleicht besaß der Fährmann ja noch andere Kräfte und konnte zu seinen Gunsten intervenieren oder wenigstens Nieswurz’ Kontrolle über ihn brechen – erlosch, als er sich umschaute und das schwarze Boot um einen Vorsprung der Insel gleiten und in einer Nebelwand verschwinden sah. Puck saß wieder zusammengesunken im Heck, regungslos wie ein steinerner Gartenfaun, und starrte, wenn überhaupt etwas, nur seine gespaltenen Hufe an.
    »Dies ist der Ort, wo der Alte Hügel war – der Urhügel.« Es kostete Apfelgriebs Anstrengung, ihre Stimme im Griff zu behalten. Daß sie so sprach, war nicht nur Vorsicht oder Verwirrung – sie kämpfte gegen die unaufhaltsam steigende Panik an. »Hier haben der König und die Königin gelebt!«
    »Hier?« Theo schaute nach links und rechts. Schon diese kleine Freiheit von dem Zwang, Nieswurz zu gehorchen, kam ihm beglückend vor – und gefährlich. »Auf diesem popeligen kleinen Ding?«
    Er mußte lauter gesprochen haben als beabsichtigt. Wuschel Segge sah mit grauem Gesicht und hoffnungsloser Miene zu ihnen herüber. Da hatte er gedacht, schlimmer könnte er sich gar nicht mehr fühlen, schon packte ihn der kalte Griff der Schuld: Sieh dir an, was mit Leuten passiert, die dir vertraut und dich als Freund behandelt haben!
    »Damals war hier noch kein Wasser«, erklärte Apfelgriebs. »Kein See wie jetzt. Nur der Hügel. Er reicht tief in die Erde hinab, tiefer sogar als die Ältesten Bäume. Der Ursprungsort aller Wesen.«
    Theo fühlte, wie eine noch kältere Faust nach seinen Eingeweiden griff. Hatte Nieswurz vor, sie in die Erde hinabzuführen, in irgendeine gräßliche Gruft im nassen Grund unter dem See? Er wußte nicht, was er an dem Gedanken so besonders furchtbar fand, aber wenn er schon sterben mußte, dann bitte unter dem offenen Himmel …
    Hier. Die Stimme des Jungen tönte durch seinen

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