Der Blumenkrieg
schwer zu töten, diese Biester.«
Du bist doof, Vilmos, aber wirklich! Von Verzweiflung und Scham erfüllt sah Theo sich brutal in die Realität zurückgeworfen. Genau wie sie’s immer gesagt hat! Apfelgriebs hatte ihr Leben für diesen Moment geopfert, für seine Freiheit, und er wußte nichts damit anzufangen. Er kämpfte mit aller Kraft gegen den starren Widerstand seiner Sehnen an, versuchte sich von der Stelle zu bewegen, an der er klebte. Nieswurz, der weiter seine Backe abtupfte und das heranrückende Unding anstarrte, war abgelenkt und nicht mehr mit ihm beschäftigt Theo fühlte, wie die Willenskraft des Elfenfürsten nachließ, aber sie hielt doch, und seine Füße blieben weiter fest am Boden verankert.
Der Irrha öffnete die Arme, einer grünbraun verwest, der andere vom Geschoß des Schutzmanns zerrissen und triefend, nicht von einem Gefühl zu dieser Umarmung bewegt, sondern nur von dem blinden Trieb, seine Aufgabe zu erfüllen. Theo wandte sich von dem gnadenlosen Greuel ab, wollte nicht dieses Gesicht immer näher kommen sehen. Seine Hand tastete nach der Kette um seinen Hals, Poppis Kette, und schloß sich darum. Viele Leute hatten so viel gegeben, so viel riskiert – für ihn! –, doch am Ende war es nicht genug gewesen. Er schaute auf den See hinaus, dessen Wasser jetzt dunkel war, nur ein klein wenig versilbert von dem Licht im Zentrum der Insel. Schluß, aus, fertig.
Das Wasser …
Ihm blieben nur noch wenige Sekunden zum Handeln. Mit einer Anstrengung, die sich anfühlte, als ob jeder Nerv im Körper seine Hülle sprengte, versuchte er ein letztes Mal, sich zur Seite zu werfen, weg von dem herannahenden Dämon. Ein glühender Schmerz durchschoß ihn, so daß er schrie, bis ihm schier die Lungen aus der Kehle kamen, aber trotz allem gelang es ihm nicht, die Füße zu bewegen.
Es gelang ihm jedoch mit knapper Not, zur Seite zu kippen.
Einen Moment lang hatte Theo die vollkommen verrückte Empfindung, daß seine überstrapazierten Muskeln unabhängig von seinem Willen versuchten, die Schwerkraft zu überwinden und seinen bereits fallenden Körper noch einmal aufzurichten, dann schlug er lang hin und rollte den Abhang zum See hinunter. Unten angekommen kippelte er eine Sekunde lang auf einem niedrigen Buckel direkt am Wasser, bis ein minimales Übergewicht den Ausschlag gab: Seine Beine fielen nach vorn und zogen den restlichen Körper ins kalte graue Wasser nach.
Als er an die Oberfläche kam, hatte er wieder die Kontrolle über seinen erschöpften Körper. Das Wasser war so flach, daß er selbst auf den Knien liegend noch halb herausschaute.
»Ha!« sagte Fürst Nieswurz. »Du bist stärker, als ich dir zugetraut hätte. Aber die Anstrengung war vergebens. Du solltest dich lieber würdevoll in dein Schicksal fügen, denn ich glaube kaum, daß du im knietiefen Wasser vor deinem Verfolger sicher bist.«
Alles hing in der Schwebe: Das Schreckliche Kind war weiter in seinem Leuchtkreis am Werk, dessen blendende Helligkeit es inzwischen nahezu unkenntlich machte, während Nieswurz und die anderen die Konfrontation zwischen Theo und dem Untoten beobachteten. Sogar der Irrha blieb anscheinend verwundert ein paar Sekunden lang stocksteif stehen. Dann drehte er sich einfach um und marschierte den Hang hinunter, als wäre er wieder angeknipst worden.
Da merkte Theo, wie etwas Großes, Frostiges ihn berührte. Zwei bleiche, geradezu durchsichtig erscheinende Arme umschlossen ihn wie eine eiserne Zange, dann wurde er an nassen Stoff und eine harte, flache Brust gepreßt, kalt wie Eis.
»Nein, niemand anders wird ihn bekommen. Er gehört mir.« Die Stimme hallte in seinem Ohr, uralt, bedächtig. »Er trägt unsere Fessel am Arm. Er wurde einst unter dem Vorbehalt freigelassen, daß er sich loskauft, aber ich rieche kein Gold an ihm, keine funkelnden Juwelen für meine Haare, darum werde ich ihn mir jetzt holen.«
In ihrem unüberwindlichen feuchten Griff hatte Theo keine Wahl, als bauchhoch im Wasser knien zu bleiben. Ihre nassen Haare hingen über seinen Schultern wie Seegras. Er drehte sich nicht um, denn er wußte, wenn er ihr in die Augen schaute, wäre dies das Letzte, was er im Leben sah. »Bitte«, sagte er. »Nicht sofort. Nur noch ein kurzes Weilchen.«
»Du hast kein Recht auf Einspruch oder Gnade«, erklärte ihm die alte Wasserfrau, aber nicht unfreundlich.
»Ich weiß. Aber ich würde gern sehen … ob ich recht hatte …«
Er fühlte, wie die Kälte von ihrem eisigen Bauch
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