Der Blumenkrieg
ausstrahlte und ihn durchdrang, fühlte ihren ganz, ganz langsamen Herzschlag. »Ein Weilchen, es sei«, sagte sie.
Und als er wieder hinschaute, war der Irrha stehengeblieben und verharrte regungslos am Hang, nur wenige Meter von Theo entfernt, aber mit einemmal so blind für ihn, als ob er aufgehört hätte zu existieren. Langsam drehte er seinen verfallenen Schädel hin und her und wandte sich dann in die Richtung, wo Nieswurz und sein monströses Stiefkind sich befanden. Er machte einen zögernden Schritt auf sie zu, einen zweiten.
Erschrocken riß Nieswurz die Augen auf. »Halt, du hirnloses Ding, halt!« schrie er, aber der Irrha hielt nicht. Nieswurz wich aus seiner Bahn, fuchtelte mit den Armen und brüllte: »Erschießt ihn! Zerstört ihn!« Mehrere der Schutzleute eröffneten das Feuer; ihre Gewehre pfiffen und tackerten, und die bronzenen Hornissen sausten auf den Dämon zu und durchschlugen ihn. Fetzen verfaulenden Fleischs flogen durch die Luft. Totes Gewebe spritzte nur so aus dem gestohlenen Gesicht des Irrhas, so daß nur lose hängende Knochen und ein paar Zähne übrigblieben, und dennoch stapfte er weiter den Hügel hinauf. Erst da begriff Nieswurz, daß der Untote nicht hinter ihm her war. Da Theo jetzt das rechtmäßige Eigentum der alten Wasserfrau und damit der Wahrnehmung des Irrhas entrückt war, ging dieser unaufhaltsam auf das einzige ähnliche Wesen los, Theos Beinahzwilling, den kleinen Jungen, der am Rand der Mulde in dem lila Leuchten purer Energie badete.
Zornbrüllend rannte Nieswurz hinter dem Irrha her und wäre beinahe von seinen eigenen Leuten erschossen worden, bevor sie ihn sahen und das Feuer einstellten. Die Oger eilten hinter ihrem Herrn her, doch zu spät: Nieswurz machte einen Hechtsprung und erwischte das Monster gerade in dem Moment am Bein, als es die Arme nach dem völlig geistesabwesenden Jungen ausstreckte. Morscher Stoff riß unter Nieswurz’ Fingern ab, desgleichen ein langer Streifen fauligen Fleisches. Er verlor den Halt und schlug hin.
Das Leichenwesen trat in den violetten Lichtkreis und schlang die Arme um das Kind, und dieses wand sich und murmelte wie jemand, der aus einem schönen Traum gerissen wird. Gleichzeitig veränderte das Licht die Farbe und erstrahlte auf einmal rot und orange, jedenfalls schien es zunächst so; in der kalten Umarmung der Nymphe verstand Theo erst beim zweiten Hinschauen, was geschehen war. Der Irrha hatte eine Pforte von der gleichen Art geöffnet wie die, durch die Theo seinerzeit nach Elfien gekommen war, aber diese Pforte hier führte geradewegs in ein wütendes Inferno – in das brennende Lagerhaus des Beseitigers lästiger Hindernisse.
»Er ist zu nichts anderem gezwungen«, hatte Eamonn Dowd ihm bei ihrem Gespräch dort erklärt, »als dich zu ergreifen und hierherzubringen.« Dowd war tot, aber der Zwang des Irrhas anscheinend nicht.
Das Schreckliche Kind begriff erst in dem Moment richtig, was geschah, als der Untote mit ihm durch die Pforte trat. Und so herzzerreißend, wie es da schrie, hätte es ein ganz normales Kind sein können. Das Fleisch des Jungen qualmte bereits, und der kleine Körper zappelte hilflos im Griff seines brennenden Häschers, als das Loch im Gewebe der Wirklichkeit sich wieder schloß.
Geradewegs in die Hölle, dachte Theo. Genau wie in den alten Märchen. Da stellte sich für einen Sekundenbruchteil die abgeschnittene Verbindung zwischen ihnen wieder her, doch obwohl es nur ein ganz kurzes Aufblitzen war, waren die Schmerzen des Kindes, die er in dem Moment mitempfand, so furchtbar, daß Theo in den unbeugsamen Armen, die ihn hielten, schrie und zuckte.
Nidrus Nieswurz konnte gerade noch einen letzten Wutschrei ausstoßen, bevor ihn urplötzlich das aufflammende violette Licht umhüllte, das mit dem Verschwinden des Schrecklichen Kindes niemandem mehr gehorchte – oder vielleicht denen, die Ursache hatten, den Elfenfürsten zu hassen. Nieswurz heulte wie wahnsinnig, als sämtliche Knochen in seinem Leib weißglühend wurden und sich von innen heraus durch sein Fleisch brannten, bis aus seinen Gelenken, seinem Bauch, seinen Augen und seinem Mund Licht hervorbrach. Stumm fiel er in sich zusammen, auch wenn aus der rauchenden Masse noch leise Geräusche kamen. Während das Licht aus der Grube sich ausdehnte und dabei immer schwächer wurde, rannten die anderen in kopfloser Panik den Hügel hinunter und zerstreuten sich in alle Richtungen wie aufgeschreckte Tauben.
Eine eisige Hand deckte
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