Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
wie Gehacktes durch einen Wolf. Die Knochen verhinderten ein weiteres Vordringen. Die wurmartigen Fingerfetzen wanden sich und stießen noch ein kleines Stück weiter vor, dann brach das Gitter aus der Verankerung.
    Theo kreischte auf und stolperte in den Hauptraum zurück. Die unförmige Gestalt zwängte sich durch das hohe Badfenster und fiel mit einem widerlichen feuchten Geräusch auf die Fliesen, aber rappelte sich umgehend auf. Theo packte seine Gitarre am Hals und befahl seinen Beinen, nicht einzuknicken, als das Scheusal ans Licht watschelte.
    Ein verwesender Leichnam wäre schlimm genug gewesen. Es war aber weitaus gruseliger.
    Schwankend stand es da, ein Flickwerk aus stinkenden Teilen. Aus den abgerissenen Kleidungsstücken ragten Knochenstücke, Lumpen, schmierige Fleischbrocken und sogar zusammengerollte Zeitungen. Der linke Fuß war eine modernde, blutige Masse, doch wo der rechte Fuß sein sollte, schienen als Notbehelf zwei kleinere Füße zusammengequetscht worden zu sein, von denen einer noch einen schmutzigen Frauenschuh trug. Eine der Hände war von dem Gitter zerfleischt worden, war aber schon wieder dabei zusammenzuwachsen. Der andere Arm, jetzt neben der Gesichtsruine erhoben, endete überhaupt nicht in einer Hand, sondern in der vertrockneten Leiche einer Katze. Ihr skelettiertes Maul streckte sich nach ihm aus und öffnete und schloß sich dabei wie eine zupackende Faust.
    Theo schrie und schlug mit der Gibson zu, so fest er konnte. Mund und Nase des Dings flogen zum Teil davon, und es geriet ins Wanken, fiel aber nicht. Im Rachenloch rasselte Luft. Die schief herabhängende Kinnlade unternahm zuckende Anstrengungen, sich zu schließen, doch die meisten Muskeln waren fort. Als die Jacke aufklaffte, sah Theo, daß ein eiterndes Loch in der Brust mit einem zerfetzten Fleischlappen geflickt war, der einmal ein menschliches Gesicht gewesen war. Ihm wurde schwindlig und schwarz vor Augen.
    Urplötzlich schoß ein geflügelter Strich zwischen ihn und das Monstrum: die Elfe. Ein flackerndes Licht ging an und erfüllte im Nu den ganzen Raum. Er konnte sogar Apfelgriebs’ Gesicht erkennen, hart wie eine Kameenbrosche.
    »Mach!« schrie sie und flog dann wie ein wütender Spatz gegen den Kopf des Dings an, das zischend auswich und mit dem Arm ausholte. Die Katzenhand schnappte zu, und um ein Haar hätten die Zähne sie erwischt. »Sie ist offen, die Tür ist offen! Geh durch!«
    Ein glühendes Rechteck hing kurz vor dem Spülbecken, ein Saum triefenden Lichts, wie ein Reißverschluß im Gewebe der Wirklichkeit. Theo starrte verdattert darauf, dann warf er seine zerbrochene Gitarre weg.
    »Mach schnell!« kreischte Apfelgriebs, doch Theo zögerte. Wohin führte diese Tür? Gewiß, überall war es jetzt besser als hier … aber …
    Auf einmal begriff er. Er bückte sich und raffte das Buch seines Großonkels auf. »Komm mit!« rief er der Elfe zu.
    »Mach keinen Quatsch, der Durchgang geht jeden Moment zu«, stieß sie atemlos hervor. »Geh durch! Ich halte ihn auf.« Sie schraubte sich über dem Kopf des Dings in die Luft, in den vollen Schein der rätselhaften Phantomtür, und er sah, daß das elfische Zaubermittel, mit dem sie den Untoten bekämpfen wollte, sein eigener Korkenzieher war, in ihren Armen so groß wie eine Malerleiter. Mit einer letzten Schraubendrehung stieß sie hinab und rammte die Spitze in das zerhauene Gesicht des Dings. Es zuckte reflexartig zurück, auch wenn nicht mehr viel zu retten war, wirkte aber ansonsten nicht sehr beeindruckt.
    Theos Herz fühlte sich an, als wollte es im nächsten Augenblick wie eine Polarisrakete durch die Schädelplatte schießen. Er sprang auf den leuchtenden Saum zu, berührte die Öffnung. Seine Finger prickelten ein wenig, aber brannten nicht. Er warf einen letzten Blick zurück. Eine verwesende Pranke griff soeben haarscharf an Apfelgriebs vorbei, streifte sie jedoch am Flügel und wirbelte sie durch die Luft. Sie landete am Boden und blieb dort mit hängendem Köpfchen sichtlich benommen sitzen. Das Monster stieß einen glucksenden Triumphlaut aus und wankte auf sie zu. Theo warf sich auf die Knie, riß die Elfe kurz vor dem zubeißenden Katzenmaul weg und robbte dann über den Boden zu der Tür aus Licht.
    Er stürzte auf höchst unelegante Art hindurch ins Nichts, in eine farblose Leere, die donnerte wie der Ozean und funkelte wie die Sterne.



 
10
Rittersporns Land
     
     
    E igentlich bewegte er sich nicht fort, er streckte sich

Weitere Kostenlose Bücher