Der Blumenkrieg
Selbstwertgefühl, Vilmos?
»He!« sagte sie, und plötzlich erkannte er, daß sie, ob imaginär oder nicht, eindeutig erschöpft war. »Der Tee? Ich bin nicht schüchtern. Ich würde ihn mir ja selber machen, aber ich bin nicht groß genug, um die Knöpfe an deinem Dings hier, deinem Herd zu drehen.«
»Entschuldige.« Er trat an den Tresen, stellte den Herd an und setzte den Kessel darauf. Sie verschwand immer noch nicht. Als die Platte heiß zu werden begann, streckte sie sogar die Hände aus, um sie daran zu wärmen. »Du bist also wirklich … eine Elfe«, sagte er schließlich. »Ich bilde mir das nicht ein.«
»Bin ich. Tust du nicht.«
»Aber … warum redest du mit … mit so einem irischen Akzent?«
Sie verdrehte die Augen und blies sich eine winzige Strähne aus den Augen. »Bißchen doof, was? Wir reden nicht mit irischem Akzent – die Iren reden mit unserem Akzent, so halbwegs. Kapiert?«
»Oh.«
Die Unwirklichkeit der Situation war nicht mehr ganz so eklatant, was sie jedoch in keiner Weise erklärlicher machte. Das Wasser kochte. Die Elfe hob die Flügel und flatterte ein Stückchen zurück, um dem Dampf zu entgehen. Theo holte zwei Teebeutel und zwei Tassen aus dem Schrank.
»Bei den Bäumen, Kollege, soviel trinke ich doch nicht. Gib mir einfach ein bißchen von deinem ab.«
»Oh. Na klar.« Er räumte eine Tasse und einen Teebeutel wieder weg und goß dann den Tee auf. Er hatte keinen Fingerhut, deshalb nahm er einen der gestapelten Heineken-Kronkorken vom Bücherregal. »Ist der okay?«
Sie sprang in die Luft und schwirrte mit kolibrischnell schlagenden Flügeln neben ihn. Sie beroch den Kronkorken. »Wenn du ihn auswäschst. Ich hab nichts gegen Bier, aber in meinem Tee will ich keins haben, danke bestens.«
Er mußte sich mit seiner Tasse hinsetzen, denn er fühlte sich derart vor den Kopf geschlagen, daß ihm die Ohren dröhnten. Die Elfe kniete sich auf den Tresen und blies auf ihren Kronkorken voll Tee.
»Tut mir leid, wenn ich … wenn ich kein besonders aufmerksamer Gastgeber bin«, begann er.
»Macht nichts«, sagte sie zwischen zwei Schlucken. »Das passiert euresgleichen oft. Wahrscheinlich weil ihr so hin und weg seid.«
»Bist du … Hast du … Wie heißt du?«
Sie warf ihm einen Blick zu, der nicht übermäßig freundlich war. »Und du?«
»Das weißt du nicht?«
»Na klar weiß ich das, du Riesenroß! Aber du mußt es mir zuerst sagen, dann kann ich es dir auch sagen.«
»Oh.« Ihm fiel auf, daß er das öfter sagte. »Ich heiße Theo Vilmos.«
»Stimmt sogar. Ich heiße Apfelgriebs.«
»Apfelgriebs?«
»Fang gar nicht erst an.«
»Aber ich hab doch bloß …«
»Fang gar nicht erst an, Kollege, oder du kriegst den restlichen Tee über.«
Besorgt starrte er sie an, wobei ihn andererseits die Vorstellung belustigte, von einer wütenden Elfe angegriffen zu werden. Aber vielleicht war das überhaupt nicht zum Lachen, vielleicht konnte sie ihn in irgend etwas Garstiges verwandeln, in eine Kröte oder in eine Erbse unter einer Matratze. Zumindest konnte sie die Milch sauer werden lassen, wenn sie wollte, nicht wahr?
Wobei die Milch in meinem Kühlschrank wahrscheinlich längst schon sauer ist.
»Ich wollte dich nicht beleidigen«, erklärte er. »Ich hab nur gestaunt, weil … na ja, weil ich niemanden mit so einem Namen kenne.«
Ihr harter Blick wurde ein wenig milder. »Dafür kann ich nichts. Ich bin die Letztgeborene.«
»Was heißt das?«
»Wir sind eine große Familie, die Äpfel. Siebenundzwanzig Geschwister hab ich. Samen, Schale, Auflauf, Kern, Saft, Kuchen, Blatt, Essig, Rinde, Blüte, sogar Mus, um nur ein paar zu nennen – alle guten Namen waren schon vergeben, als ich auf die Welt kam. ›Unser kleiner Unfall‹, nannten Mama und Papa mich immer, aber nur zum Spaß. Die Auswahl an Namen war da schon mehr als besch…eiden.«
»Ah.« Das war nicht sehr intelligent, aber besser als »Oh«. Ein bißchen. »Und … und was führt dich zu mir? Versteh mich nicht falsch, du bist mir natürlich willkommen«, fügte er hastig hinzu. »Aber viele Elfen bekommen wir hier nicht zu sehen.«
»Kein Wunder bei den Preisen.« Sie setzte ein müdes Lächeln auf, ihr erstes bis dahin. »Entschuldigung. Ein alter Witz.« Sie legte ihren kleinen Kopf schief und musterte ihn eingehend. »Das weißt du wirklich nicht?«
»Hat es irgendwas mit dem Buch meines Großonkels zu tun?«
»Nicht daß ich wüßte. Der Alte, der mich geschickt hat, war nicht sehr
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