Der Blumenkrieg
benutzen, weil ich deine bei dem Gerangel mit dieser häßlichen Kreatur schon alle verbraucht hatte. Es war nichts Tolles, bloß eine kleine Verheimlichung, eine Irreführung in jedem dritten Fall, die ich günstig über eine Freundin bekommen hatte, aber es war mein allerletzter Schutz. Damit bin ich jetzt wehrlos, Herr, wenn du verstehst, was ich damit sagen will.«
»Ich werde natürlich dafür sorgen, daß du entschädigt wirst …«, begann Rainfarn.
»Moment mal«, warf Apfelgriebs dazwischen, und trotz der Entfernung erkannte Theo, daß sie dabei rot wurde. »Entschuldigung, daß ich dich unterbreche, Herr. Mir ist nur aufgegangen, daß du gerade gesagt hast: ›Vielleicht wird er das gar nicht.‹ Was, wenn dir die Frage nichts ausmacht? Was wird er nicht?«
Rainfarn guckte, als machte ihm die Frage sehr wohl etwas aus, ein klein bißchen wenigstens, aber als hätte er keine Lust, eine große Sache daraus zu machen. »Reisen. Es hat sich einiges verändert.«
»Wie das?« Apfelgriebs flog etwas näher an Theo heran, beinahe beschützend, fand er.
»Wie ich dir vielleicht schon erklärt habe, wollte ich diesen Menschen nicht meinetwegen herholen, sondern ich wurde von gewissen anderen dazu aufgefordert.« Rainfarn begab sich zu einem niedrigen Sessel und ließ sich mit bemerkenswerter Grazie darin nieder. Jetzt erst fiel Theo auf, daß dieser wichtige Elf keine Flügel hatte – und auch von Rittersporns Jagdpartie hatte keiner welche gehabt, wenn sein Gedächtnis ihn nicht trog. Hatte Eamonn Dowd nicht etwas über die Elfen der Oberschicht und ihre Flügel geschrieben? »Er sollte an einer Klausur in der Stadt teilnehmen«, fuhr Rainfarn fort, »zu der einige der wichtigsten Führer der Symbioten und der Koextensiven kommen wollten …«
Apfelgriebs flog dicht an Theos Ohr. »Das sind die Kriecher und die Unentschiedenen, die Gruppen, die gegen die Würger sind«, flüsterte sie.
Rainfarn runzelte die Stirn. Er hatte offenbar ein feines Gehör. »Ich muß sagen, daß ich diese simplifizierenden Namen mißbillige. Das ist niederes Goblingeschwätz der übelsten Art.« Er schüttelte verärgert sein schneeweißes Haupt. »Außerdem sind wir Koextensiven nicht ›unentschieden‹, quasi hin- und hergerissen zwischen zwei dynamischeren Parteien. Es ist vielmehr so, daß die anderen beiden Parteien zu extremistischen Positionen tendieren und wir die gemäßigte und vernünftige Mehrheit darstellen, auf die sich die Gesellschaft stützt.« Auf seine eigentümliche Art wirkte er in diesem Moment menschlicher als die ganze Zeit zuvor: In die straffe bleiche Haut über seinen Backenknochen hatte sich sogar ein wenig Farbe gestohlen. »Auf jeden Fall erachteten einige meiner Parteifreunde es für wichtig, diesen Menschen hinzuzuziehen …«
»Theo Vilmos. Ich habe einen Namen. Ich bin nicht bloß ›dieser Mensch‹.«
Abermals ein Abwinken. »… Junker Vilmos hinzuzuziehen, und obwohl ich ein sehr beschäftigter Mann mit vielen wichtigen Projekten bin, ließ ich mich zur Mithilfe überreden. Ich sollte ihn … dich … hierherschaffen, und ein junger Bursche aus dem Hause Stockrose – eine namhafte Symbiotenfamilie und gute Leute trotz einer gewissen politischen Unbedarftheit – sollte sich hier einfinden und dich zu der Klausur abholen.«
»Und was ist geschehen?« fragte Apfelgriebs. »Haben sie das Treffen abgeblasen oder was?«
Rainfarn schüttelte den Kopf. Etliche Herzschläge lang saß er nur stumm da, dann erhob er sich aus seinem Sessel und trat an einen Tisch mit holzverkleideten Apparaten, deren schimmernde Bildschirme keine Ähnlichkeit mit denen an elektronischen Geräten hatten, wie Theo sie kannte, denn sie sahen aus, als wären ihre Oberflächen gar nicht fest, sondern aus einer senkrecht stehenden Flüssigkeit. Rainfarn bewegte langsam die Finger über einem der Apparate, und als der Bildschirm sich kräuselte und aufleuchtete, schloß er den Deckel. Obwohl ihm der Mann nicht besonders sympathisch war, mußte Theo zugeben, daß diese Elfen faszinierend waren. Wie bei den Teilnehmern der Jagdpartie wirkte jede Geste, die Rainfarn machte, auch wenn sie noch so spontan kam, choreographiert und einstudiert. Es ist, als hätten sie vom Augenblick ihrer Geburt an einen Crash-Kurs in »Eleganz im Alltag« mitgemacht.
Nachdem er die erste Sache erledigt hatte, zog der hochgewachsene Elf eine Schublade auf, entnahm ihr ein silbernes Kästchen von der Größe eines gebundenen Buches und stellte
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