Der Blumenkrieg
Gefühl hatte, daß sein Hirn nicht ganz angeschlossen war, fragte er sich, warum das Buch seines Großonkels ein Elfenland mit Gaslaternen oder sogar Öllampen beschrieben hatte, ungefähr wie im viktorianischen London. Nach dem, was er von der ziemlich modernen Einrichtung und Technik sah, schien sich Eamonn Dowd in der Zeit um gut hundert Jahre und mehr vertan zu haben.
Ich habe dieses verrückte Zeug satt, spürte er. Ich will nur nach Hause. Ich laß mich jetzt einfach zu diesem alten Rainfarn bringen, dem Typ, der Menschen mag, und beantworte ihm ein paar Fragen. Vielleicht will er Onkel Eamonns Buch haben? Von jäher Angst erfaßt, es könnte weg sein, klopfte er auf seine Jackentasche, doch auch wenn Püppchen bei ihrer Durchsuchung ansonsten völlig hemmungslos gewesen war, hatte sie ihm doch wenigstens die Aufzeichnungen seines Großonkels gelassen.
Ich unterhalte mich also mit diesem Rainfarn, gebe ihm das Buch, wenn er es haben will – sein Besitz ist auf jeden Fall keinen längeren Aufenthalt hier wert –, und dann sehe ich zu, daß er mich wieder nach Hause läßt. Er konnte sich sogar vorstellen, daß sein Leben nach solchen Erfahrungen ein ganz anderes wurde. Ich werde mich verändern. Ich werde mein Leben auf die Reihe kriegen. Vielleicht schreibe ich sogar einen Roman auf der Grundlage von Onkel Eamonns Schilderungen und meinen eigenen Erlebnissen und werde berühmt … Wie schwer kann es denn schon sein, einen von diesen Fantasyschinken zu schreiben?
Theo wurde in diesen kreativen Grübeleien unterbrochen, als ein weiterer schreckenerregend großer Koloß am Ende des Flurs aus dem Schatten trat. Der Fußboden gab unter seinem Gewicht ein wenig nach. »Hallo, Mücke«, polterte er.
»Werd nicht frech, du grauer Schietbüddel«, sagte Apfelgriebs, aber beinahe liebevoll. »Wir wollen zu deinem Boß.«
Teddybär, der noch weniger gewinnend aussah als seine Schwester (sofern das überhaupt möglich war), neigte seinen mächtigen Kopf. »Er erwartet euch. Geht rein.« Er blickte Theo an. »Und du mach keine Dummheiten, Rotbäckchen. Ich hab dich aus dem Fluß gefischt, ich kann dich auch wieder reinbefördern. Von hier aus.«
Theo trat hastig hinter Apfelgriebs in ein spärlich möbliertes Vorzimmer, das aussah, als hätte es von einem ungewöhnlich künstlerisch veranlagten Trappistenmönch entworfen sein können. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, daß sie allein waren, bevor er fragte: »Sind alle Oger wie diese beiden?«
»Nein, eigentlich nicht.« Apfelgriebs setzte sich auf seine Schulter. »Die richtig Großen will man lieber nicht im Haus haben. Die sind echt gräßlich.« Sie zwickte ihn ins Ohrläppchen. »Weißt du was, ich glaube, Püppchen hat sich ein bißchen in dich verguckt.«
»Hör auf! Hör einfach auf!«
Ein Fremder kam ins Zimmer, ein hochgewachsener, schlanker Mann in den Dreißigern, wie es aussah, mit einem langen weißen Laborkittel und einem langen weißen Pferdeschwanz. Er musterte Theo kühl von Kopf bis Fuß und wandte sich dann ab. »Komm mit!« rief er über die Schulter.
»Wer in aller Welt ist das?« flüsterte Theo Apfelgriebs zu, die immer noch auf seiner Schulter hockte.
»Graf Rainfarn natürlich. Du folgst ihm besser.«
»Aber … aber er ist ja gar nicht …« Was hatte er erwartet? Jemand Altes? Freundlich Blickendes? Bloß weil Apfelgriebs ihn einmal als eine Art Doktor bezeichnet hatte …?
Rainfarn führte sie aus dem kahlen, unpersönlichen Vorzimmer in einen sehr viel chaotischeren Raum. Auf den ersten erstaunten Blick fühlte sich Theo in die Anfangstage der Computertechnik zurückversetzt, eine ihm nur von Fotos und Zeitschriftenartikeln bekannte Zeit, in der die Leute ihre PCs der ersten Generation in handgefertigte Holzkisten einmontiert hatten, bevor diese von massenproduzierten Kunststoffgehäusen ersetzt worden waren. Auf den zweiten Blick schien der Stand der Technik durchaus höher zu sein, denn auf jeder freien Oberfläche im Raum stapelten sich rätselhafte Apparate, auch wenn eine Schwäche für formschöne Holzgehäuse in der Tat nicht zu leugnen war, von Schalttafeln aus geriffeltem Glas statt alltäglicher Knöpfe und Schalter ganz zu schweigen.
Rainfarn nahm sich von einem der Tische eine Brille und setzte sie auf, bevor er sich umdrehte, um Theo abermals zu begutachten. Die Gläser ließen die violetten Augen des Elfs größer erscheinen, aber machten aus ihm in keiner Weise einen freundlichen alten
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