Der Blumenkrieg
Erfinder; sie verliehen ihm vielmehr das Aussehen eines mondänen europäischen Konzeptkünstlers, was auch zu dem technominimalistischen Dekor paßte. Seine Kleidung unter dem weißen Laborkittel – auch ein bißchen zu schick für einen Laborkittel, jetzt, wo Theo genauer hinschaute – war ebenfalls weiß. Auf seine falkengesichtige Art war er sehr ansehnlich, ja geradezu schön.
Er sieht aus wie der Engel der dir mitteilt, daß du nicht in den Himmel kommst, weil du die Platzreservierung vergessen hast, fand Theo. Verlegen streckte er die Hand aus. »Hi, ich bin Theo Vilmos …«
»Ja, der bist du.« Rainfarn nickte kurz und ignorierte die Hand, bis Theo sie wieder zurückzog. Er wandte sich Apfelgriebs zu, die von Theos Schulter gehüpft war und jetzt mit baumelnden Beinchen auf einer der blanken Holzoberflächen saß. »Du kommst eine Woche zu spät, Fee. Was ist geschehen?«
Eine Woche zu spät? Theo blickte auf sein Handgelenk mit dem Grasband. Liebe Güte, war ich so lange ohnmächtig? Nein, das kann nicht sein. Hat Apfelgriebs vielleicht besonders lange gebraucht, um auf meine Seite durchzukommen?
Während sie sich in hochkomplizierten Ausführungen über ihren Zusammenstoß mit dem Leichenmonster und ihre Ankunft in Rittersporns Gebiet erging und dabei Begriffe wie »Ausströmung« und »Trajektorie« und »ungefähre Eintrittsverschiebung« benutzte, die nicht ganz dem entsprachen, was man sich unter einer »magischen Reise ins Märchenland« vorstellte, fiel Theo auf, daß das Gebaren seiner kleinen Führerin sich verändert hatte. Sie war jetzt die Sachlichkeit in Person, ja vielleicht übertrieb sie es sogar ein wenig mit ihren Fachausdrücken, mit denen sie um sich warf wie ein Straßenbauvorarbeiter, der dem Vorgesetzten erklärte, warum sein Trupp versehentlich mit dem Preßlufthammer ein Stromkabel gekappt hatte.
»Ja, gut.« Rainfarn wehrte die restliche Erklärung mit einem lässigen Fingerschlenkern ab. Er musterte Theo ein weiteres Mal, nicht unfreundlich, aber sicherlich auch nicht mit großer menschlicher Wärme, eher so, als ob er es mit dem Hund eines Gastes statt mit dem Gast selbst zu tun hätte. Obwohl Rainfarn ihn mit so viel Aufwand hatte herschaffen lassen, war Theo bisher von ihm kaum eines Wortes gewürdigt worden.
Menschliche Wärme, daran fehlt es ihm, hatte Theo den Eindruck. Er ist kein Mensch. Und ich glaube nicht einmal, daß er Menschen besonders gern mag. Und wenn dieser Typ mit den lila Augen einer von der freundlich gesonnenen Sorte war, dann konnte Theo sich ungefähr vorstellen, wie unangenehm es war, den eher feindlich gesonnenen von Rainfarns Landsleuten zu begegnen.
Tja, dann wird sich meine Beliebtheit im Elfenland wohl in Grenzen halten. »Warum hast du mich hergeholt?« fragte er.
Rainfarn zog eine Augenbraue hoch, dünn und weiß wie ein Strich reinen Kokains. »Weil ich der einzige war, der dich finden konnte.«
Theo ließ sich diese Auskunft durch den Kopf gehen. »Das beantwortet meine Frage nicht wirklich.«
»Warte, bis ich mit der Fee fertig bin.« Der Herr des Hauses wandte sich wieder Apfelgriebs zu. »Gibt es noch etwas Wichtiges, das du mir mitzuteilen hast?«
»Jede Menge, fürchte ich.« Sie hob von der Tischplatte ab und flatterte ein wenig hektisch in der Luft. »Erstens wird ihn dieses Leichenwesen weiter verfolgen. Wenn es ihn dort gefunden hat, wird es ihn hier auch finden.«
Rainfarn blickte über den Rand seiner Brille. »Ich hoffe, du willst damit nicht andeuten, daß ich darauf nicht selbst gekommen wäre.«
»Natürlich nicht, Graf Rainfarn. Klar doch. Tja, und hinzu kommt, daß der Bursche hier auf der Flucht aus Rittersporns Land in den Fluß gesprungen ist. Deshalb mußte ich geradewegs herfliegen und Püppchen und Teddybär alarmieren, daß die ihn holen kamen.«
»In den Fluß? Du meinst die Grauder? Seltsam, daß die Nymphe das erlaubt hat …«
»Hat sie auch nicht. Jedenfalls nicht gleich.« Apfelgriebs flog zu Theo hinüber und zerrte seine linke Hand hoch, damit Rainfarn das Handgelenk sehen konnte. »Ich mußte einwilligen, daß er gebunden wurde.«
Der Elfenadelige zuckte die Achseln. »Das ist seine Sache, nicht meine.«
»Aber es wird seine Bewegungsfreiheit einschränken, wenn er reist, Herr.«
Wieder zuckte Rainfarn die Achseln. »Vielleicht wird er das gar nicht. Komm mit deinem Bericht zu Ende.«
»Na ja, und als wir dann auf Rittersporn und seinen Jagdtrupp stießen, mußte ich meinen eigenen Zauber
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