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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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allzusehr in Einzelheiten verlieren und nur ganz allgemein sagen, daß unsere beiden Völker, die früher in enger Gemeinschaft von der physischen und metaphysischen Fülle der Welt zehrten, sich mit den Jahren auseinandergelebt und unterschiedliche Bedürfnisse entwickelt haben. Unterm Strich könnte man wohl sagen, daß dein Volk der Erde heute viel mehr wegnimmt als wir – und ich spreche dabei nicht von dem kreisenden Ball im Weltraum, von dem Planeten mit seiner Humusschicht und seiner Sauerstoffhülle, sondern von den subtileren Hintergründen. In gewisser Weise kann man die Situation mit zwei Städten an ein und demselben See vergleichen. Eure Stadt pumpt mittlerweile einen viel größeren Teil des sauberen Wassers ab und leitet dann dieses Wasser verunreinigt wieder in den See ein.«
    »Was, geht’s jetzt um Umweltschutz?« Er biß auf einen Kern und verzog das Gesicht. Keine der anderen Elfenfrüchte hatte Kerne enthalten. Er spie ihn sich diskret in die Hand und legte ihn auf den Tellerrand. Apfelgriebs, die eine ziemliche Menge Honig und ein paar Beeren verzehrt hatte, erhob sich unsicher in die Luft und landete auf Theos Schulter.
    »Nicht um etwas so Simples oder so … Physisches«, meinte Rainfarn, »aber im übertragenen Sinne könnte man es so nennen. Sagen wir einfach, daß ihr Menschen unsere gemeinsame Umwelt über Gebühr ausbeutet und belastet.« Er blickte über den Rand seiner Brille. »Das hängt stark mit dem Wandel des Weltbilds zusammen.«
    »Hä?«
    »Mit dem Wandel des Weltbilds, genauer gesagt, mit dem schwindenden Glauben an das, was ihr in eurer Welt Magie nennt und was wir für die wahre Wissenschaft halten. Es gab mehrere Wendepunkte, an denen in beiden Welten Veränderungen eintraten, und einige davon gelten in deiner Welt zweifellos als wichtige Meilensteine, während sie hier eine rapide und nachhaltige Verschlechterung brachten. Die meisten dieser Wendepunkte hatten mit Weltreisen oder Entdeckungen oder großen Erfindungen zu tun, etliche jedoch auch schlicht mit der Verrohung der Phantasie bei euch und der Verkümmerung der Kindheit. Jeder Punkt veränderte eure Welt grundlegend und verminderte gleichzeitig die uns hier zur Verfügung stehende Kraft, wodurch unser Leben härter und leerer wurde. Die letzten hundert Jahre waren für uns die allerschlimmste Zeit. Als wir den Zusammenhang verstanden, kam es zu mehreren Veränderungen in unserer Gesellschaft. Eine war, daß wir neue Methoden ausprobierten, unsere Ressourcen effektiver zu nutzen, und uns damit in gewisser Weise selbst unter Druck setzten, eure Entwicklung nachzuahmen, den ›Fortschritt‹, wie ihr es nennt. Eine andere war, daß die Art, wie wir auf diese Entwicklungen reagieren sollten, das beherrschende politische Thema in unserer Gesellschaft wurde, wenigstens unter denjenigen von uns, die weitblickend genug sind, um das Problem zu erkennen.«
    »Oder die genug freie Zeit haben, weil sie nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen«, flüsterte Apfelgriebs Theo vernehmlich ins Ohr. Merkwürdigerweise hörte sie sich ein wenig beschwipst an, obwohl sie seines Wissens nicht einmal Wasser getrunken hatte.
    »Von daher«, fuhr Rainfarn fort, »rührt die Uneinigkeit unter unseren großen Parteien. Erstens gibt es die Symbioten, die der Meinung sind, daß der anhaltende Aufstieg der Menschheit unvermeidlich ist und daß wir deshalb bestrebt sein müssen, im Schatten eures Volkes zu leben und von euren Abfällen zu zehren, ganz ähnlich bestimmten Vögeln und Fischen, die die Haut oder die Zähne größerer und gefährlicherer Tiere sauber halten. Die Symbioten selbst verkaufen es attraktiver, aber im Grunde ist ihre Politik nichts weiter als Schmarotzertum.«
    »Er redet über diese Kriecher, von denen ich dir erzählt habe«, raunte Apfelgriebs.
    »Sodann gibt es die Extremisten auf der Gegenseite, die der Meinung sind, daß es mit einem Volk wie dem euren keine Gemeinsamkeit geben kann, mit einer Spezies, die nicht einmal erkennt, was sie im Begriff zu zerstören ist. Das sind die Exzisoren.« Er blickte Apfelgriebs stirnrunzelnd an. »Die ›Würger‹, wie das niedere Volk sie nennt.«
    »Jawoll.« Sie kicherte. »Würger!«
    »Die Exzisoren sehen die einzige Lösung darin, uns von dem Einfluß eurer Art ganz und gar zu befreien. Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, daß es einige in dieser Gruppe gibt – Wissenschaftler und Philosophen, die ich durchaus achte –, die gern eine Möglichkeit finden

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