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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schlupf eine extreme Zeitverschiebung entstand.«
    »Schlupf?«
    »Ja, der Unterschied zwischen unseren beiden Welten. Das Vergehen der Zeit ist vielleicht das augenfälligste Symptom, aber keineswegs das einzige. Doch Essen oder Nichtessen hat nichts damit zu tun, ob ein Reisender wiederkehrt, damals so wenig wie heute. Ich nehme an, es war eine Art Trick, mit dem kluge Menschen ihre Artgenossen davon abhalten wollten, zu lange hier zu verweilen. Wenn sie hier nichts aßen und folglich nur so lange blieben, wie sie es mit leerem Magen aushielten, dann war die Reibung wohl nicht so stark.«
    »Reibung?«
    Eine Browniefrau, die einen Servierwagen vor sich herschob, war still durch die Tür gekommen – wenigstens nahm Theo an, daß sie auf dem Weg gekommen war, auch wenn er sie nicht direkt hatte eintreten sehen. Sie war mollig und rotbackig und in ihren Proportionen so weitgehend normal, daß man meinen konnte, eine leicht kurzbeinige junge Frau wäre auf ungefähr einen Meter Größe eingeschrumpft worden. »Wohin, Herr?« fragte sie.
    Rainfarn deutete mit dem Kopf auf einen niedrigen Tisch.
    Die Browniefrau stellte das Tablett mit Obst und Brot auf den Tisch, machte einen Knicks und schob dann ihren Wagen wieder aus dem Zimmer. Der Elfenadelige lud Theo mit einer Handbewegung ein, auf dem ledergepolsterten Stuhl neben dem Tisch Platz zu nehmen, dessen unauffällige Eleganz darauf hindeutete, daß er sonst Rainfarns Stammplatz war. Theo setzte sich leicht beklommen. Apfelgriebs hockte sich neben den Teller und schnupperte. »Ooh, Weinrosenhonig«, sagte sie. »Fein!«
    »Bedien dich.« Er wandte sich wieder Rainfarn zu. »Es kann also wirklich nichts passieren, wenn ich davon esse?« Er wollte nicht stur sein, aber er konnte nicht so recht glauben, daß der Mann, der ihn vor kurzem noch so kühl gemustert hatte, auf einmal unbedingt gut Freund mit ihm sein wollte. »Ich kann trotzdem wieder nach Hause?«
    »Ob du diese oder irgendeine andere gesunde Kost verzehrst, hat keine Auswirkungen darauf, ob du zurückkehren kannst oder nicht«, antwortete Rainfarn. »Das schwöre ich bei den Ältesten Bäumen.«
    Theo warf Apfelgriebs einen fragenden Blick zu, doch sie schien sich seinetwegen keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil, sie kratzte sich mit beiden Händen große Klumpen Butter und Honig von seinem Brot und leckte sie ab, was deutlich dafür sprach, daß das Essen nicht vergiftet oder sonstwie ungenießbar war.
    »Was bist du, eine Fee?« fragte er. »Definiert man das vielleicht so: ›Ein ungewaschenes Mundwerk, Manieren wie ein winziges fliegendes Ferkel?‹«
    Sie grinste mit honigbeschmiertem Mund. »Sei still und iß, du alter Schwätzer.«
    Er brach sich eine Ecke Brot ab und nahm sich eine Frucht, die wie eine lachsfarbene Kirsche aussah. Das Brot schmeckte wie Brot (nur viel besser), aber die Frucht glich nichts, was er je gegessen hatte, denn zu ihrer herzhaften Süße gesellte sich ein gewisser duftiger Beigeschmack, was ein wunderbares, exotisches Aroma gab. Ihm kam wieder zu Bewußtsein, daß er völlig ausgehungert war, und er griff sich eine Handvoll.
    »Wie schon gesagt, ich bedaure meine … Schroffheit vorhin sehr«, erklärte Rainfarn. »Ich hatte meinen Kopf woanders. Doch ich habe noch einmal über die Angelegenheit nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß es für meine Auftraggeber immer noch von Wichtigkeit ist, dich kennenzulernen, und daß es nicht angeht, dich in einer Welt ohne Rat und Beistand zu lassen, die dir sehr verwirrend vorkommen muß.«
    Theo traute dem Braten noch nicht ganz. Rainfarn spielte den Hilfsbereiten recht überzeugend, aber Theo konnte sein vorheriges Verhalten nicht einfach vergessen und fragte sich, welche Entwicklung im Laufe des Tages diese Veränderung bewirkt haben mochte. Oder war das die normale Art dieser Blumen, dieser großmächtigen Oberelfen: daß sie künstliche Emotionen nach Belieben ab- und anstellen konnten wie Soziopathen in der wirklichen Welt? Kein besonders anheimelnder Gedanke.
    Entweder ich bin paranoid, oder sie sind vollkommen abartig. Da tut einem die Wahl weh.
    »Könntest du mich statt dessen nicht einfach zurückschicken?« fragte er. »Nichts für ungut, aber es war nicht gerade meine freie Entscheidung, hierherzukommen. Was mich betrifft, so muß ich hier niemand kennenlernen …«
    »Doch, doch, das mußt du.« Rainfarn lächelte strahlend. Eine Sekunde lang hatte Theo die verstörende Vorstellung, die asketische, weißhaarige

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