Der Blumenkrieg
versprochen hat, was? Au! Paß auf, du zerquetschst mir die Nase!«
»Bei den Ältesten Bäumen!« stöhnte Apfelgriebs, die schlaff auf dem Nachttisch lag. »Könnt ihr zwei euch nicht unterhalten, ohne euch die verdammten Lungen aus dem Leib zu schreien?«
»Da hat jemand einen Kater«, sagte Püppchen grinsend. »Es ist lustig, wenn die Winzlinge trinken.«
»Ha, ha«, machte Apfelgriebs. »Du großer grauer Schietbüddel.«
Theo sagte gar nichts, weil Püppchen ihm mit einem grauen Daumen, der die Größe und Rauheit einer ungeschälten Avocado hatte, weiße Creme ins Gesicht rieb – und durch die Haut bis auf die Knochen, wie es sich anfühlte. Einen Moment lang dachte er, sie würde ihm die Lippen bis zu den Ohren ziehen, dann wurde ihm klar, daß sie einfach von dem Druck taub geworden waren. »Was zum Teufel ist das für ein Zeug?« fragte er, als sie eine kurze Pause einlegte.
»Bleiweiß«, teilte ihm Püppchen mit. »Das nehme ich immer, wenn ich aussehen will, als müßte ich mir nicht die Hände mit Arbeit schmutzig machen.«
»Blei! Das ist doch giftig, oder? Willst du mich umbringen?« Theo versuchte sich freizuzappeln.
»Nicht nach der ganzen Arbeit, die ich mit dir hatte«, erwiderte Püppchen. »Doch ich kann dir gern das Gesicht zusammenzwicken, bis alle dich für einen Tattermann halten, dann spielt es keine Rolle mehr, was du für eine Hautfarbe hast.«
»Hier oben ist es mir zu hoch«, erklärte Apfelgriebs und flog schlingernd vom Nachttisch auf den Fußboden, wo sie herumtorkelte und dabei exzentrische Kreise beschrieb wie eine von Rauch benommene Biene. »Mir ist sterbenselend«, jammerte sie. »Wie konntest du zulassen, daß ich so was mache?«
»Zulassen? Ich habe überhaupt nicht gewußt, was das war.« Theo schaute sich nach der Uhr um, bevor ihm einfiel, daß er sie gar nicht lesen konnte. »Wie spät ist es?«
»Wieso schaust du da drauf, wenn du das wissen willst?« erkundigte sich die Ogerin.
»Ist das etwa keine Uhr?« Die beiden zeigten keine Reaktion. »Ihr wißt schon, ein Ding, das die Zeit anzeigt.«
»Ein Ding, das die Zeit anzeigt?« Püppchen sah Apfelgriebs an, die die Achseln zuckte, weil sie sich für nichts anderes interessierte als das Pochen in ihrem Schädel. »Herrje, ihr Rotbäckchen habt komische Ideen. Nein, es ist eine Zauberschatulle.«
Theo versuchte, mit Reiben wieder etwas Blut in die Schläfen zu bekommen, wo er für sein Gefühl bierdeckelgroße Ogerabdrücke haben mußte. »Was zum Henker ist eine Zauberschatulle?«
»Einfach etwas, das dir kleine Zauber und Sprüche gibt, falls du gerade welche brauchst – Wegweiser oder Haarentkrauser oder Liebessteifmacher.« Sie piekste ihm in die Seite, daß er aufkreischte. »Ist es das, was du suchst, Rotbäckchen?«
»Herrje. Kein Wunder, daß ich fast das Haus abgebrannt hätte, als ich das Radio anstellen wollte. Und woher wißt ihr, wie spät es ist?«
»Diese großen runden Dinger am Himmel.« Püppchen feixte. »Sonne? Mond? Sind dir vielleicht schon mal aufgefallen.«
»Okay, ich habe keine blasse Ahnung. Bei mir zu Hause machen wir es anders. Sagt mir einfach, wie spät es ist, ja?«
»Nach der Sonne ist es hoher Vormittag«, erklärte Apfelgriebs. »Das merkt man daran, daß das Licht das reine Gift ist und einem wie mit Messern in die Augen sticht.« Sie kauerte sich an die Wand. »Und daran, daß es die Tageszeit ist, zu der Oger und Menschen den meisten Schiet reden. Uach. Selbst die Haare tun mir weh.«
»So«, sagte Püppchen. »Ich denke, er ist fertig. Keine Spitzenqualität, aber mehr kann man wohl nicht erwarten.«
»Ich bin sicher, du hast dein Bestes getan«, meinte Theo großzügig, während er sich nach einem Spiegel umschaute.
»Ich rede von dir, nicht von der Maske.« Püppchen bearbeitete ihn mit einer Puderquaste, bis er kaum mehr Luft bekam, und bürstete dann das, was zuviel war, mit überraschender Sanftheit ab. »Erledigt. Da.« Sie langte in eine Tasche des undefinierbaren voluminösen Kleidungsstücks, das sie anhatte, und holte einen überraschend kleinen Handspiegel hervor; in ihrer mächtigen grauen Pranke schien er nicht größer als ein Pokerchip zu sein. Im ersten Moment wunderte sich Theo, daß sie so ein kleines Ding mit sich führte, bis ihm aufging, daß wahrscheinlich nicht sehr viele Spiegel für Oger im Handel waren, aus offensichtlichen Gründen. Sie hatte sich einfach einen Spiegel im Elfennormalmaß zu eigen gemacht. Als er ihn in die Hand nahm,
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