Der Blut-Mythos
die Knie. »Begreifen Sie das doch.«
»Er schon.«
»Was wollen Sie noch?«
»Es gibt ihn zweimal…«
»Ist mir doch scheißegal.«
»Aber uns nicht!« erklärte Suko. »Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde Zeit, um den Betrieb zu stoppen. Vergessen Sie nicht, daß wir nicht zum Spaß hier sind.«
Gunnar Cern starrte Suko aus großen Augen an, bevor er den Kopf schüttelte. »Ich pack es nicht!« flüsterte er. Aus der Hosentasche holte er ein Sprechfunkgerät. »Scheiße, ich pack es nicht. Das ist der reine Wahnsinn!«
Suko blieb gelassen und hob nur die Schultern.
***
Nein, es war keine Täuschung. So wie sich auf der Main Street in den Western-Städten oft zwei Feinde zum Duell gegenüberstanden, so stand ich hier diesem verfluchten Dracula II gegenüber, der sich zudem noch eine junge Frau als Geisel geholt hatte. Ich wußte nicht, ob er sie schon angefallen hatte, jedenfalls hing Marita unnatürlich starr in seinem Griff, als hätte sie den Biß schon hinter sich.
Dracula II hielt den Kopf leicht schräg, und so schielte er mich von der Seite her an. Den Mund hatte er zu einem Grinsen verzogen, und er sah eigentlich aus wie immer, nur fehlte diesmal das blutige D auf seiner Stirn.
Die dunklen Haare straff zurückgekämmt. Dabei die hohe Stirn mit der bleichen Haut. Augen wie düstere Tümpel, eine leicht gekrümmte Nase, der Mund mit den schmalen Lippen. Er brauchte seine beiden Blutzähne nicht zu zeigen, ich wußte auch so, daß er sie hatte.
»Und jetzt?« fragte ich ihn. »Hast du nun erreicht, was du wolltest, Mallmann?«
»Nein, nicht ganz. Einer fehlt mir noch in meiner Sammlung.«
»Chronos also.«
»Genau.«
»Vielleicht ist er hier. Genau weiß ich das nicht, denn ich habe ihn noch nicht gesehen.«
»Ja, er hätte hier sein müssen«, bestätigte Mallmann. »Aber er ist es wohl nicht. Dabei hat er dich dorthin geschafft, wo er sich sicher fühlt. In seine Welt.«
»Hier in diesem Ort?«
»Ja, den hat er übernommen. Er hat die Menschen hier zu Vampiren gemacht. Sie stehen erst auf, wenn es dunkel geworden ist, aber das kennst du ja.«
»Und wo befindet sich dieser Ort?« fragte ich.
»In der Vergangenheit. Einige hundert Jahre mußt du schon zurückrechnen, Sinclair.«
»In England?«
»Nein, wir sind hier in Ungarn, Chronos hat sich hier niederlassen wollen.«
»Wer ist er? Warum bist du so hinter ihm her? Um ihn vernichten zu wollen?«
»Er denkt, er wäre unsterblich, weil er die Uhr der Zeit besitzt. Mit ihrer Hilfe kann er durch die Zeiten ziehen. Er kann sich verstecken, sich in andere Jahrhunderte zurückziehen, aber auch seine Spuren in der Gegenwart hinterlassen, wie du es erlebt hast. Er wußte, daß ich ihm auf den Fersen war. Ich hätte euch gern zusammen verbrannt. Es ist mir nicht gelungen. Er war leider schneller. Doch jetzt bin ich da. In seiner Welt, in der auch ich mich wohl fühle. Ich habe schon zuvor meine Spuren hinterlassen.«
»Die Leiche ohne Kopf?«
»Ja, sie stammt von mir. Ich wollte damit beweisen, wie Chronos sterben wird. Ich werde ihm seinen verdammten Kopf von Körper schneiden, und niemand wird mich daran hindern. Auch du nicht, Sinclair, das schwöre ich dir.«
»Seit wann kannst du dich zwischen den Zeiten bewegen, Mallmann? Ich glaube dir das nicht.« Da konnte er mir erzählen, was er wollte, denn so etwas war ihm noch nie gelungen.
»Ich entwickle mich eben, John. Ich bleibe euch auf den Fersen, denn ich gehöre dorthin, wo auch meine zahlreichen Diener sind. Wie hier, zum Beispiel. Sie ziehen mich an, verstehst du? Ich reise in einem gewissen Sog, nur so kann ich Chronos auf den Fersen bleiben.«
»Glaubst du denn, daß du ihn vernichten kannst?«
»Mit deiner Hilfe.«
Fast hätte ich gelacht, aber ich mußte an Marita denken, die sich in Mallmanns Gewalt befand. Er genoß die Lage. »So wie ich dich kenne, Sinclair, möchtest du sie als einen normalen Menschen zurückhaben - oder?«
»Da brauchst du nicht erst zu fragen.«
»Sehr gut. Du bekommst die kleine Wahrsagerin zurück, wenn du mir Chronos bringst.«
»Sehr schön, Mallmann. Und wie hast du dir das vorgestellt?«
Dracula II schickte mir ein kicherndes Lachen entgegen. »Das ist allein deine Sache. Ich habe damit nicht viel zu tun. Du hast doch schon viel geschafft und bist auch stolz darauf. Hol mir Chronos her, und alles wird sich richten.«
Dracula II konnte mir so viel erzählen, wie er wollte. Ich glaubte ihm kein Wort. Ihm war nicht zu trauen. Er war hinterlistig,
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