Der Blut-Mythos
gewesen.
Er hatte ihnen die Köpfe abgeschnitten!
***
Das Massengrab der Untoten!
Dieser Vergleich schoß mir durch den Kopf, als ich stehengeblieben war. Ich glaubte fest daran, daß es keine normalen Vampire mehr in diesem kleinen Ort gab, denn Dracula II hatte in seinem wahnsinnigen Haß alle vernichtet. Bis auf die beiden eben, die mir zum Opfer gefallen waren.
Sie lagen auf dem Boden. Sie lagen kreuz und quer. Auch die Köpfe waren durcheinandergerollt. Diese Gesichter zogen mich an wie der Anblick einer schönen Frau, obwohl der Vergleich mehr als unpassend war.
Es war nirgendwo Blut zu sehen. Die Vampire mußten blutleer gewesen sein, als man ihnen die Köpfe abgeschnitten hatte. Und keiner schien sich gewehrt zu haben. Es war mir beinah unverständlich, wie es dieser Dracula II fertiggebracht hatte, so zu wüten. Er mußte sie alle im Schlaf überrascht und dann in dieses Haus hier geschafft haben.
Leere Augen. Starre Blicke. Geöffnete Münder. Lange Blutzähne, die aus den Oberkiefern wuchsen. Sie waren nicht verschwunden, und wahrscheinlich würden sie mit verwesen.
Die Hütte zu betreten, war beinahe unmöglich. Ich fand kaum eine freie Stelle, auf die ich meinen Fuß setzen konnte. Auf Leiber oder Köpfe treten wollte ich auch nicht.
Einem Instinkt folgend warf ich wieder meinen Blick zurück auf die Straße. Dort bewegte sich nichts. Mallmann hielt sich zurück, und auch Chronos zeigte sich nicht.
Die Leichen gaben einen alten und widerlichen Geruch ab. Er raubte mir den Atem. Ich wollte so schnell wie möglich weg von hier, aber da war wieder die Stimme des Vampirs, der auch als Blut-Mythos bezeichnet wurde.
»Nein, geh nicht weg. Bleib ruhig an der Stätte seines Triumphs. Schau dir seinen Sieg an!«
»Nimmst du ihn einfach hin, Chronos?«
»Ja, ich kam zu spät.«
»Durch diese von ihm vernichteten Vampire zeigt er dir, wie er dich töten will.«
»Das weiß ich.«
»Hast du keine Angst um deinen Kopf?«
»Nein, denn du wirst ihn stoppen, Sinclair. Ich hatte gedacht, ihm hier begegnen zu können, um den Kampf mit einem Sieg zu beenden. Es hat leider nicht geklappt. Er ist schneller gewesen. Es wird zu einem Kampf kommen, daran glaube ich fest.«
»Ich ebenfalls, aber wo?«
»Hier nicht mehr.«
»Du willst verschwinden?«
»Ja, ich muß es. Der Kampf wird dort entschieden werden, wo Dracula II eine Niederlage erlitten hat und wo wir hergekommen sind. Ich kann keine Rücksicht mehr nehmen. Ich war bereits zu lange auf der Flucht vor Dracula II. Es muß zu einem Ende kommen.«
Ich hatte alles sehr gut verstanden. Plötzlich waren die kopflosen Vampirleichen für mich zweitrangig geworden, denn etwas anderes zählte mehr. Der Rückweg in meine Zeit.
Und nicht nur das. Wir würden dort landen, wo die Reise begonnen hatte. Auf dem Rummel!
An einem Ort, wo sich vielleicht Tausende von Menschen aufhielten, die möglicherweise in die Auseinandersetzung mit einbezogen wurden. Da konnte es Opfer geben.
»Nein!« flüsterte ich, und die nächsten Worte brachen nur so aus mir hervor. »Das kannst du nicht tun.«
»Warum nicht?«
»Es ist unmöglich. Die Menschen, die…«
»Sie interessieren mich nicht mehr. Ich kann auch auf Marita keine Rücksicht nehmen.« Nach diesen Worten zeigte er sich mir. An der gegenüberliegenden Hüttenwand schien die Luft plötzlich zu leben. Dort tat sich etwas. Die Luft vibrierte, sie verdichtete sich. Mich streifte dabei ein eisiger Hauch.
Einen Moment später erschien schwammig das alte Gesicht mit dem Blut auf der Haut. Ein Mund, der offenstand und die langen Vampirzähne präsentierte.
Ich sah die Hände, und ich sah, daß seine Finger die magische Uhr festhielten. Die Daumen waren dabei so gestreckt, daß sie die Zeiger berührten.
Noch bewegten sie sich nicht. Mir kam der Gedanke, mich auf Chronos zu stürzen.
»Tu es nicht!« flüsterte er. »Denk an Dracula II und auch an unsere Freundin.«
»Ich will Marita haben. Und zwar lebend und gesund.«
»Du wirst sie sehen, John Sinclair. Man wird uns folgen. Es gibt keine andere Möglichkeit für sie. Mallmann hat zuviel eingesetzt. Er kann nicht mehr zurück, und ich auch nicht. Diese Welt ist zusammengebrochen. Es gibt nichts mehr, wohin ich mich hätte zurückziehen können, und ich werde ihm auch die Uhr nicht überlassen. - Zurück zum Stützpunkt, John Sinclair!«
»Wohin?«
»Du kennst ihn«, sagte er nur und bewegte die Zeiger.
Ich hätte noch einen Versuch unternommen, ihn mit dem
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