Der Blutengel
bekam er nicht mehr mit.
Es ging auch nur um ihn. Er war es, der übernommen worden war. So jedenfalls fühlte er sich. Eine andere Macht oder Kraft – woher sie auch immer kommen mochte – hielt ihn in den Klauen. Er fühlte sie tief in sich, und er fühlte noch mehr, denn sie hatte seinen gesamten Körper eingenommen und jagte durch die Adern.
Einige Male wurde er den Eindruck nicht los, eine Stimme zu hören oder ein Lachen. Aber er schaffte es nicht mehr, richtig nachzuhaken. Allmählich verlor er den Kontakt mit der Realität. Etwas wurde aus ihm herausgezerrt.
War es die Psyche, war es die Kraft des Blutes? Er merkte, wie sein doch sehr starkes Herz dagegen ankämpfte und nicht aufgeben wollte, und dann überkam es ihn.
Er hatte das Gefühl, zu sinken, einfach zu fallen. Unter ihm hatte sich ein gewaltiges Loch aufgetan, das allein auf ihn gewartet hatte. Plötzlich bewegte er seine Arme so hektisch wie ein junger Vogel, der erst noch das Fliegen lernen musste, die Flügel.
Dann aber war es aus.
Er kippte weg.
Wahnsinnige Schmerzen durchrasten seinen Körper. Das Letzte, das er in seinem Leben sah, war noch einmal diese Geistergestalt mit ihren flatternden Flügeln und den Feuerkränzen darum.
Drei Sekunden später lebte Dave Mitchell nicht mehr...
***
So richtig zurecht kam Suko mit diesem Fall nicht. Damit hatten auch Sir James und John Sinclair ihre Probleme gehabt. Es gab gewisse Vorgänge, die misstrauisch machten, doch konkrete Beweise lagen noch nicht auf dem Tisch, und genau das war das Problem. Deshalb hatte auch Sir James sehr vorsichtig agiert und die Dinge mehr im privaten Bereich gelassen.
Auch wenn Suko sich nicht überzeugt zeigte, dachte er nicht daran, seinen Job aufzugeben oder nur locker anzugehen. Schon oft genug hatte sich ein Nichts zu einem wahren Horror gewandelt.
John hatte es besser gehabt. Er war im Krankenhaus fündig geworden. Ganz im Gegensatz zu Suko, den man mit der Nachricht abgespeist hatte, dass der Patient auf eigene Gefahr die Klinik verlassen hatte. Zum Glück hatte man ihm die Adresse mit auf den Weg geben können.
Dahin war er unterwegs.
Suko rollte mit seinem BMW in ein Gebiet hinein, in dem noch die alten Häuser standen. Hier lebten Menschen in den kleinen Wohnungen, aber zumindest mit ein wenig Grün in der Umgebung. Dazu zählten auch die Vorgärten.
Es gab das Problem der Parkplatzsuche, denn vor den meisten Häusern durfte er seinen Wagen nicht abstellen. Er tat es doch, und als sich aus dem Fenster eines nahe stehenden Hauses der Kopf und der magere Oberkörper eines alten Mannes reckten, der augenblicklich zu schimpfen begann und mit der Polizei drohte, da blieb Suko nichts anderes übrig, als dem Alten seinen Ausweis zu zeigen.
»Kann ich nicht lesen.«
»Ich bin vom Yard.«
»Hä, ein Chinese?«
Hinter dem Alten erschien eine Frau, die jünger war als er und zog ihn weg.
»Was ist denn los?«
Auch jetzt zeigte Suko seinen Ausweis. »Ich möchte hier nur meinen Wagen abstellen, weil ich in der Gegend zu tun habe.«
»Ja, ja, machen Sie das.«
»Danke.«
Den Rest ging er zu Fuß. Die Hausnummern waren gut zu lesen, und es dauerte nicht lange, da hatte Suko die richtige Adresse gefunden.
Auch dieses Haus unterschied sich nicht von den anderen Bauten. Vielleicht sah der Vorgarten etwas gepflegter aus, ansonsten gab es die gleiche Bauweise mit den Mini-Balkonen, die zur Straße hin wiesen. Eine rege Urbanität war in dieser Gegend nicht vorhanden. Trotz des recht schönen Wetters ließ sich kaum ein Mensch auf der Straße blicken. Man hockte in den Häusern oder vielleicht auch in kleinen Gärten, die an den Rückseiten lagen.
In den Vorgärten jedenfalls saß niemand und genoss das recht warme Wetter.
Suko schaute, wusste nicht, in welcher Etage dieser Dave Mitchell wohnte. Er wollte sich informieren und musste deshalb zur Haustür gehen, doch das tat er nicht.
Bereits nach dem zweiten Schritt blieb er stehen, weil er eine Bewegung gesehen hatte.
Und die war ihm nicht am, sondern im Haus aufgefallen! Das war auch nur möglich gewesen, weil das eine Fenster bis zum Boden reichte und da in den kleinen Balkon überging. Die Bewegung war nicht draußen erfolgt, sondern im Haus.
Deshalb ging Suko davon aus, dass er Dave Mitchell in seiner Wohnung vorfinden würde.
In den folgenden Sekunden blieb er stehen und wartete darauf, dass sich die Bewegung wiederholte. Das schien nicht der Fall zu sein, aber Suko war sich nicht ganz sicher. Er
Weitere Kostenlose Bücher