Der Blutengel
uns auch nicht genau bekannt, wer diese Gestalt war.
Man konnte sie als ein Geistwesen ansehen. Die Flügel ließen darauf schließen, dass es sich zudem um einen Engel handelte. Diese waren mir nicht fremd, und ich wusste auch, dass Engel nicht nur Flügel haben mussten. Es gab genügend ohne.
Gern wäre ich noch mal attackiert worden. Dann allerdings hätte ich mich besser vorbereitet und wäre gespannt gewesen, wie das Wesen auf mein Kreuz reagiert hätte, wenn es mit ihm direkt konfrontiert gewesen wäre.
»Über was denken Sie nach, Mr. Sinclair?«
»Über Engel.«
Dr. Kellerman winkte müde ab. Ich konnte ihn verstehen. Jemand, der nichts damit zu tun hatte und auch nicht daran glaubte, würde darüber nicht nachdenken. Nur wusste er nicht, was mir bekannt war. Ich grübelte über die Frage nach, woher der Engel kam, und auch da gab es keine Antwort. Diese Wesen hielten sich in Dimensionen auf, die für uns normale Menschen nicht erreichbar waren, wobei es immer wieder Ausnahmen gab, wie ich am eigenen Leibe festgestellt hatte.
Sollte Iris King tatsächlich von einem Engel angegriffen worden sein, dann gehörte dieser wirklich nicht zur guten Seite, sondern zählte zu den Geschöpfen, die sich auf die Seite der Finsternis geschlagen hatten.
Bei Iris ging ich davon aus, dass es der zweite Angriffsversuch gewesen war. Von Dr. Kellerman wusste ich, dass in den verschiedenen Krankenhäusern noch mehr Menschen lagen, die diese Attacken erlebt hatten und weiterhin schutzlos waren.
Als ich mich mit dem Gedanken beschäftigte, schoss mir das Blut in den Kopf. Zugleich durchzuckte mich eine verrückte Idee, die ich allerdings in die Tat umsetzen wollte.
Dem Arzt war meine Veränderung nicht verborgen geblieben. »Was ist mit Ihnen los, Mr. Sinclair?«
»Es ist ja nicht nur Iris King angegriffen worden.«
»Das stimmt leider.«
»Und deshalb glaube ich, dass auch die übrigen Menschen in Gefahr sind und mit weiteren Angriffen rechnen müssen.«
»ja, das könnte sein.«
»Aus diesem Grunde sollten alle bewacht werden.«
Dr. Kellerman nickte. »Es wäre sinnvoll.«
»Nur müssten wir sie dann zusammenbringen.«
»Wie? Alle sechs?«
»Genau.«
Der Arzt trat einen Schritt zurück: Er sah aus, als hätte er einen Schlag bekommen. Sehr langsam schüttelte er den Kopf und fragte: »Wie haben Sie sich das denn vorgestellt?«
»Sie müssten mir helfen.«
»Ha, wie kann ich das?«
»Erst mal Ihre Kollegen informieren, die für einen Transport zu einem gemeinsamen Ziel sorgen.«
»Sehr gut. Und wo läge das, bitte schön?«
»Das müssen wir noch suchen, aber da wird mir schon etwas einfallen, denke ich...«
***
Dave Mitchell war die Nacht über im Krankenhaus geblieben. Den Vormittag hatte er zur Hälfte ebenfalls dort verbracht. Als jedoch der Arzt erschienen war, hatte Dave das, was er sich vorgenommen hatte, sofort in die Tat umgesetzt.
»Ich bleibe nicht hier!«
»Was?«
»Ja, ich werde gehen.«
»Aber wissen Sie, was mit Ihnen los ist?«, fragte der Arzt.
»Nein, aber es wird nichts Schlimmes sein. Ich fühle mich nur etwas schwach, das ist alles.«
»Nichts Schlimmes?« Aus dem Mund des Mediziners strömte ein hartes Lachen. »Sie sind gut. Was man auch immer mit Ihnen gemacht hat, Mr. Mitchell, eines steht fest. Man hat ihnen einen Teil Ihrer roten Blutkörper geraubt.«
»Ach...«
»Mehr sagen Sie nicht?«
»Nein, warum auch?«
»Weil das gefährlich ist. Sie erleben hier keine Schwäche, wie Sie es von einer Grippe oder was weiß ich für Krankheiten her kennen. Das ist bei Ihnen ein Phänomen, und davon abgesehen sind Sie nicht die einzige Person, der so etwas widerfahren ist. Den Grund kann ich mir leider nicht vorstellen, aber auf die leichte Schulter sollten Sie Ihren Zustand wirklich nicht nehmen.«
Mitchell schaute zu dem Arzt hoch. »Es ist mir egal, was Sie sagen, Doc. Ich bin für mich und meinen Körper selbst verantwortlich.«
»Richtig.«
»Und deshalb werde ich mich nicht von Ihnen gängeln lassen. Ich ziehe das durch. Ob Sie das nun wollen oder nicht. Mich kriegen Sie nicht klein, verstanden?«
»Davon war überhaupt nicht die Rede. Es geht mir einzig und allein um Ihre Gesundheit und um das Phänomen, das Sie erlebt haben. Alles andere können wir vergessen.«
Dave Mitchell erhob sich. »Ich werde das Krankenhaus hier so schnell wie möglich verlassen.«
Der Arzt trat einen Schritt zurück. Er war sauer, das sah und hörte man ihm an. Seine Stimme klang belegt und
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