Der Blutengel
Angst mehr um ihr Leben zu haben brauchte.
Wir hatten den Eingang nicht ganz geschlossen, aber das Licht etwas gedämpft. Ein schmaler Streifen floss nach draußen. Menschen lockte er nicht an, sondern nur Insekten, die mit zuckenden Bewegungen ihre Kreise zogen.
Manche flatterten heran und wirkten durch das Spiel aus Licht und Schatten übergroß, sodass sie aussahen wie kleine Flugmonster. Hin und wieder erreichte uns der Klang einer Stimme, ansonsten blieb es ruhig. Auch ich beendete meine Wanderung und blieb vor Suko und Iris stehen.
»Setz dich, John.«
»Später.«
»Du bist zu nervös.«
»Stimmt.«
»Und warum?«
Jetzt musste ich lachen. »Wir sehen zwar nichts, wir werden auch nicht angegriffen, aber ich frage mich schon, wer hinter all den Vorgängen steckt.«
»Du denkst an einen bestimmten?«
»Nein, nicht. Ich wollte, ich könnte es. Aber dem ist nicht so. Ich weiß es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass es jemand gibt, der hinter den Vorgängen steckt.«
»Engel, John.«
»Das Wort kann man auch als Einzahl sehen. Der Engel. Einer, der auf der anderen Seite steht.«
»Luzifer?«
»Nein, nicht so, Suko. Der steckt hinter allem. Er ist das absolut Böse.«
»Wen haben wir denn da noch? Belial?«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
Suko hatte einen Einwand. »Er ist der Engel der Lügen, und ich weiß nicht, ob wir es hier mit Lügen zu tun haben. Ich glaube, da liegst du mit deinen Gedanken falsch. Aber es gab auch Feuer. Vielleicht sollten wir unsere Gedanken in die Richtung bewegen.«
Ich schaute ihm ins Gesicht. »Da bliebe dann Uriel. Er ist der Feuerengel.«
»Zum Beispiel.«
»Das glaube ich nicht. Uriel ist eine Macht auf meinem Kreuz. Der stellt sich nicht gegen uns.«
»Dann bleibt nur einer übrig«, erklärte mein Freund mit einer Sicherheit, die mich überraschte.
»Und wer soll das sein?«
»Metatron.«
Ich zuckte zusammen. Verdammt, wenn man es so betrachtete, konnte Suko Recht haben. Metatron war ein mächtiger Engel, um den sich zahlreiche Legenden rankten. Er war der Sage nach mal ein Mensch gewesen, den Gott zu sich geholt hatte und ihn so zum Erzengel machte. Es sollte eine Brücke darstellen zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen, eben weil er mal ein Mensch gewesen und all das, was einen Menschen ausmachte, noch bei ihm gespeichert war. Aber der Engel mit der Furcht erregenden Gestalt war dann seinen eigenen Weg gegangen. Er war wieder verstoßen worden und hatte sich sein eigenes Reich aufgebaut.
Die Menschen allerdings und das, was er mal erlebt und gesehen hatte, das hatte er nicht vergessen. Es steckte tief in ihm, und die Brücke zwischen Engel und Mensch wollte er noch immer schlagen. Das heißt, er würde versuchen, Engel zu Menschen zu machen oder auch den Menschen den Weg zu den Engeln zeigen. Allerdings nach seinem Gusto, und das konnte man nicht eben als positiv bezeichnen.
Wenn Engel sich also das Menschliche holten, konnten sie vielleicht als Zwitterwesen existieren und sogar eine feste Gestalt annehmen. Sie würden in die Menschen eindringen mit ihren Geistkörpern, was wir ja bereits erlebt hatten.
Bei vier Menschen war es ihnen gelungen, jetzt fehlte nur noch unser Schützling.
»Wenn ich dich so anschaue, John, dann habe ich tatsächlich das Gefühl, richtig zu liegen.«
»Stimmt. An Metatron habe ich gar nicht gedacht. Der ist mir wirklich durchgegangen.«
»Es würde passen.«
»Das auch.«
Jetzt kam es darauf an, was Iris King davon hielt und ob ihr der Name überhaupt etwas sagte. Noch hatte sie sich dies durch keine Reaktion anmerken lassen. Wahrscheinlich war sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen und hatte überhaupt nicht zugehört.
Darauf wies auch ihre Reaktion hin, denn als ich sie ansprach, zuckte sie zusammen.
»Haben Sie gehört, über wen wir uns unterhalten haben?«, sprach ich sie an.
»Nein.«
»Gut, hören Sie bitte zu, Iris. Es geht um einen bestimmten Namen. Wir möchten wissen, ob Sie ihn schon mal gehört haben. Egal, in welch einem Zusammenhang. Es geht ausschließlich um den Namen. Er lautet Metatron.« Ich wiederholte ihn. »Metatron...«
Sie hatte mir direkt ins Gesicht gesehen, und jetzt sah ich, wie sie versuchte, nachzudenken. Man kann es einem Menschen anmerken, das war auch bei ihr der Fall, doch nach einer Weile des starken Überlegens schüttelte sie den Kopf.
»Nein, Mr. Sinclair, ich glaube nicht, dass ich den Namen je gehört habe.«
»Aber es gab die Stimme – oder?«
»Ja,
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