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Der Blutengel

Der Blutengel

Titel: Der Blutengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht am Abend, sondern am Nachmittag. Bis wir dort sind, ist der längst vorbei. Dann haben wir Abend und können uns schon fast auf die Dämmerung einrichten.«
    »Schade«, sagte sie.
    »Was ist schade?«
    »Dass man Ihnen so schlecht widersprechen kann.«
    ***
    Es war recht weit bis zum Regent’s Park. Wir fuhren an der Ostseite entlang über den Outer Circle, der den Park wie einen Kreis umgibt.
    Wir mussten ziemlich weit nach Norden, aber nicht in den Zoo hinein. Südlich davon durchquerten wir den Park, weil wir in die Nähe des Regent’s Kanals gelangen wollten, denn dort würden wir den kleinen Zirkus auf einer der Wiesen finden.
    In früheren Zeiten hatte der Kanal als Transportweg eine große Bedeutung gehabt. Durch die Erfindung der Eisenbahn war das verschwunden. Jetzt diente er als touristischer Anlaufpunkt. Der ehemalige Treidelpfad des Kanals war in einen ansprechenden Fußweg um funktioniert worden, es wurden kurze Bootsfahrten angeboten, und wer in den Zoo wollte, konnte an einem entsprechenden Anleger aussteigen. Wer sich hier bewegte, musste nicht unbedingt glauben, sich mitten in London zu befinden.
    So erging es auch uns. Wir konnten tatsächlich ein wenig Ferien-Atmosphäre schnuppern und erlebten fröhliche Menschen, die mit sich und ihrer Welt zufrieden waren.
    Kleine Kneipen, Buden, Eisverkäufer, aber den Zirkus sahen wir noch nicht. Das machte Iris King etwas traurig. Sie ging zwischen uns und sagte: »Ich kann mir denken, dass dies eine Finte gewesen ist. Wahrscheinlich sind wir falsch.«
    »Geben Sie immer so schnell auf?«, fragte ich.
    »Nein, eigentlich bin ich zäh. Aber ich sehe nichts. Uns hätte doch das Zelt auffallen müssen.«
    »Wir werden mal fragen.«
    Ein Mann, der in seiner Bude Süßigkeiten aller Art verkaufte, wurde bei Suko eine kleine Tüte mit Pfefferminzbonbons los und hörte dann der Frage zu.
    »Wir haben von einem Zirkus gehört.«
    Der Verkäufer mit der weißen Mütze nickte. »Ja, den gibt es.«
    »Und wo?«
    »Da müssen Sie etwas tiefer in den Park hineingehen und sich vom Kanal entfernen.« Er zeigte auch die Richtung an.
    »Danke.«
    »Aber der ist nur für Kinder.«
    »Was heißt das?«
    »Dass er geschlossen ist. Am Abend.«
    »Also jetzt?«
    »Genau.«
    Suko schüttelte ärgerlich den Kopf. »Das ist natürlich schlecht. Trotzdem danke.«
    Wir hatten mitgehört, und ich fragte Iris, ob sie sich daran erinnern konnte.
    »Das weiß ich nicht, ehrlich nicht. Irgendwo habe ich das Gefühl, dass meine Erinnerung gelöscht worden ist.«
    »Wir werden trotzdem gehen.« Suko drückte ihr die Bonbons in die Hand.
    »Die sind für Sie.«
    »Danke, aber ich mag kein Pfefferminz.«
    Ich lachte, als mein Freund das Geschenk wieder einsteckte und dabei von den verschiedenen Geschmäckern sprach.
    Wir zogen los und unterschieden uns kaum von den anderen Besuchern, die in der Nähe des Kanals den Rasen des Parks bevölkerten. Allerdings verloren sich die Besucher, und so kamen wir uns fast ziemlich allein vor. Es gab noch ein paar junge Erwachsene, die sich mit Ball spielen beschäftigten und Baumstämme als Tore benutzten.
    Eine Frau, die einen Kinderwagen vor sich herschob, fragten wir noch mal nach dem Zirkus. Sie kam zufällig aus der Richtung und erklärte, dass wir korrekt gingen. Hinter der nächsten Baumgruppe würden wir das Zelt sehen und auch die wenigen Wohnwagen.
    »Das ist ein trauriger Zirkus«, erklärte sie. »Ohne Tiere. Wo Kinder doch Tiere so lieben.«
    »Wissen Sie denn, was es dort zu sehen gibt?«
    Sie schaute nicht mich an, sondern in den Kinderwagen. »Wenn mein Enkel groß genug ist, wird er bestimmt seinen Spaß haben. Dann werde ich mir die Clownerien anschauen, die dort stattfinden.«
    »Danke für die Auskünfte.«
    Weit mussten wir nicht mehr gehen.
    »Na, keine Erinnerung?«, fragte Suko.
    »Noch nicht.«
    Wir passierten die Baumgruppe. Unser Blick wurde frei – und wir sahen das Zelt.
    Es war wirklich nicht besonders groß. Es zeigte ein Spitzdach, war auch durch Seile gegen Sturm und Regen gesichert, aber es gab keinen Eingang, der offen war. Man hatte die Seitenwände des Zeltes nach unten gezogen.
    Zwei Wagen sahen wir. Einen größeren und einen kleinen. An dem kleinen stand das Wort Kasse, und auch dort war nichts geöffnet. Zusammen mit dem Zelt wirkten die beiden Wagen wie tot und verlassen.
    Wir gingen nicht mehr weiter, und die junge Frau stand in unserer Mitte. Es redete keiner von uns. Wir ließen den Anblick erst mal auf

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