Der Blutengel
Antwort bekam, der Kontakt blieb weiterhin auf dem geistigen Weg bestehen.
»Und...?«
Jetzt nickte sie. Dann sprach sie mit leiser Stimme das aus, was sie gehört hatte.
»Er... er wartet auf mich. Er will mich holen. Er will, dass ich...«
»Wie heißt er?« Ich fasste sie an den Schultern und spürte ihr Zittern.
»Me... me...«
»Metatron!«, rief ich halblaut.
»Ja, so heißt er!«
In diesen Momenten wusste ich nicht, wo sich meine Gedanken hinbewegten. Nein, Triumph, dass Suko und ich richtig geraten hatten, wollte nicht in mir aufkommen. Ich blieb mit beiden Beinen auf der Erde und dachte für einen Moment an die schreckliche Gestalt des Engels, dessen Erscheinen von Blitz und Donner begleitet wurde.
Es blitzte nicht, und es donnerte nicht, aber Iris bekam es mit der Angst zu tun. Und dann brauchte sie einfach Halt, und den bekam sie bei mir, denn sie drückte sich an mich.
Ich hörte sie flüstern. Leise Worte, unverständlich und ängstlich.
Suko stand nicht mehr bei uns. Er hatte jetzt den Platz in der Mitte der Manege eingenommen und ließ seinen Blick durch das dämmrige Licht kreisen.
Wer in der Mitte einer Manege steht, der hat den Befehl. Nur fand sich hier niemand, dem Suko etwas befehlen konnte. Er stand ziemlich allein auf weiter Flur und hob dann die Schultern.
»John, ich sehe nichts.«
»Weiß ich. Aber sie sind da.«
»Gut.«
Ich wandte mich wieder an Iris. »Spürst du die Geister? Merkst du, dass die Engel in deiner Nähe sind?«
»Unterwegs«, flüsterte sie. »Die... die... Engel sind unterwegs. Sie kommen immer näher. Verdammt, sie...«
Ein Schrei löste sich aus ihrem Mund. Ich hielt sie noch immer fest und hatte den Eindruck, als wäre ein Stromstoß dabei, durch ihren Körper zu jagen.
Noch in der gleichen Sekunde verlosch das Licht!
***
Das passierte blitzschnell. Es war nicht mal ein Flackern zu sehen gewesen, von einem Augenblick zum anderen umgab uns diese rabenschwarze Finsternis.
Sie dauerte nicht lange an. Unsere Augen mussten sich erst umstellen, das Bild war geblieben. Wenn wir den Kopf drehten, dann sahen wir die zurückgeschobene Plane des Eingangs. Sein Rechteck malte sich gut sichtbar ab, und so stand uns noch immer ein Fluchtweg offen. Dabei dachte ich vor allen Dingen an Iris King, doch sie presste sich weiterhin gegen mich, als wäre ich der Rettungsanker.
Nachdem zunächst mal nichts passiert war, sprach ich sie wieder leise an. »Ist er noch immer da?«
»Ja, ganz nah.«
»Und die Stimme?« Der Unsichtbare schien nur darauf gewartet zu haben, dass ich diese Frage stellte, denn jetzt hörten auch Suko und ich sie. Er selbst ließ sich nicht sehen, aber diese Stimme gehörte keinem Menschen, auch wenn sie so menschlich sprach.
»Wir sind gekommen, um auch die Letzte zu holen...«
Iris schrie auf. Wahrscheinlich wurde sie wieder von der Erinnerung übermannt, denn so etwas Ähnliches musste sie schon bei ihrem ersten Treffen gehört haben.
Mich aber interessierten weniger die Worte, als der Klang der Stimme. Wenn ich ehrlich war, dann hätte sie auch zu Belial, dem Engel der Lügen, gepasst. Sie klang hell, auch leicht schrill, als wäre sie von irgendwelchen elektrischen Geräuschen überlagert. Es war etwas, das mir einen Schlag in den Magen gab, und gleichzeitig hörte ich sie in meinen Ohren nachklingen.
Metatron selbst zeigte sich nicht. Ob er feige war oder nicht, fanden wir nicht heraus, er schickte seine vier noch übrig gebliebenen Helfer, und die erschienen so schnell, als wären sie aus dem Nichts in diese Welt hineingeschleudert worden.
Ein Rauschen war zu hören. Es umkreiste uns für einen Moment, und dann waren sie da.
Eine runde Manege bildete das Zentrum des Zeltes, und genau diese Rundung umflogen die vier Engel mit den feurigen Flügeln...
***
Es war für uns ein faszinierendes, ein tolles und auch ein irgendwie gefährliches Bild, als die Gestalten so schnell um uns herumjagten, dass ihre Gestalten ineinander verschmolzen und wir sie als einen lodernden Feuerring sahen.
Wir sahen keine Gesichter. Wir sahen keine Körper, wir konnten nur auf den flatternden Flammenring schauen, der uns in etwas mehr als Kopfhöhe umkreiste.
Dass es einen Ausgang gab, durch den wir die Flucht ergreifen konnten, daran dachte keiner mehr von uns. Wir blieben in der Manege stehen und warteten auf den Angriff der Engel.
Die Geschwindigkeit sank zusammen. Jetzt, wo sie nicht mehr so schnell flogen, sahen wir sie besser. So gelang es uns,
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