Der Blutfluch: Roman (German Edition)
verdanken, dass kein großer Schaden entstand.«
Seine Kopfbewegung in Richtung Kuno brachte Rupert wie Wolf dazu, sich nach diesem umzudrehen.
»Du warst auch in die Händel verwickelt?«, fragte Rupert ungläubig.
»Du?«
»Ich hatte schon immer eine Vorliebe für widerspenstige Dirnen, die man bändigen muss.«
Ein ungeheuerlicher Verdacht stieg in Rupert auf. Weit hergeholt und dennoch eine Erklärung für vieles, was ihm bislang unverständlich geblieben war. Auch für den mörderischen Hass, mit dem Sizma Kuno begegnete.
»In jedem Fall ist es ein Hurenstreit«, hörte er Wolf argumentieren. »Der Pfalzgraf hat Wichtigeres zu tun, als sich mit solchen Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. Ich bringe die Angelegenheit in Ordnung. Löst ihr die Ketten. Ich nehme sie mit.«
»Tu das nicht, Wolf. Hör mich an, ich glaube, ich weiß, wer …«
»Misch dich nicht ein, Rupert. Das ist allein meine Sache.«
»Du vergisst, dass ihre Schwester …«
Ruperts vergebliche Bemühungen um Wolf ließen Kuno in schallendes Gelächter ausbrechen und sich auf die Oberschenkel schlagen.
Rupert schnaubte verärgert. War er denn der Vernünftige unter lauter Verrückten? Weder Kuno noch Sizma oder Wolf schienen bei Verstand zu sein. Nicht einmal der Kerkermeister, der gerade die beiden Silbermünzen einstrich, die ihm Wolf zusteckte, tat, was seine Aufgabe gewesen wäre. Im Gegenteil, er warf den Wachen einen klappernden Eisenring mit Schlüsseln zu.
Sizma fing ihn auf. Blitzschnell öffnete sie ihre Fesseln und streifte die Eisenbänder von den Knöcheln. Sie hatte sich befreit, noch bevor Wolf sie am Arm packen und wenigstens zurückhalten konnte.
Rupert sah einen Blickwechsel der beiden, in dem etwas aufflammte, das er nicht benennen konnte. Was immer sie verband, es war etwas, dem sie machtlos ausgeliefert waren.
Kuno erkannte instinktiv, dass Wolf und Sizma in einer Falle saßen. Es versetzte ihn in einen Siegesrausch, der ihm alle Hemmungen nahm.
»Du willst dich mit der Hure zusammentun, Wolf von Rheinau?«, höhnte er. »Meinen Glückwunsch. Sie wird dich in jeder Liebesnacht an mich erinnern. Ich habe ihr mein Zeichen eingebrannt, als ich meinen Spaß mit ihr hatte. Es macht ihresgleichen bereitwillig und gefügig, wenn man droht, ihre Sippschaft beim geringsten Widerstand über die Klinge springen zu lassen.«
»
Du
warst das – in Donaustauf?«
Ruperts Frage ging in Sizmas Aufschrei unter. Mit der Heftigkeit eines Vulkanausbruchs explodierte sie von einem Herzschlag zum anderen, riss Wolf den Dolch aus dem Gürtel und warf sich auf Kuno. Der vielfach gehämmerte Stahl aus Damaskus fuhr ihm mit solcher Wucht in die Brust, dass er, fassungslos auf den Dolchgriff starrend, taumelte, bis die Kraft in ihm zerrann wie Wasser und die Beine unter ihm wegsanken.
Sizma riss die Waffe wieder an sich.
»Nein! Tu es nicht.«
Wolf bekam einen ihrer Arme zu fassen, aber Sizma war in ihrer Raserei von so übermenschlicher Kraft und Schnelligkeit, dass er sie nicht aufhalten konnte. Beim Versuch, sich Raum zu schaffen für einen Stoß gegen die eigene Brust, hieb sie wahllos um sich, bis sie auf Widerstand traf, ein zweites Mal zustach und Wolf eine gute Handbreit unter der linken Schulter verwundete. Erschrocken legte er die Hand auf die Stelle. Blut nässte seine Finger. Noch fühlte er keinen Schmerz, nur grenzenloses Staunen.
Beim Anblick des Blutes setzte Ruperts Denken aus. Er riss sein Schwert heraus und warf sich verteidigend vor den Freund. Tief drang sein Hieb in Sizmas Halsbeuge. Lautlos sank sie in sich zusammen. Ihr Blick fiel auf Wolf, dann auf Rupert. Aller Zorn war daraus verschwunden. Ihre Stimme klang erschöpft.
»Der Blutfluch erfüllt sich … auch an mir … Ich habe den Tod ersehnt, danke …«
Mit dem Blut rann das Leben aus ihr. Es mischte sich mit dem von Wolf, der neben ihr zu Boden sank. Erschüttert warf Rupert sein Schwert weit von sich. Wem sollte er zuerst helfen?
»Schickt nach einem Medicus!«, wies er den Kerkermeister an, riss sich das Wams auf und drückte den hastig gefalteten Stoff auf Wolfs Wunde, um der Blutung Einhalt zu gebieten. Dass sie stoßweise, im Rhythmus seines Atems pulsierte, war ein schlimmes Zeichen.
»Du stirbst nicht, hörst du?« Mehr fluchend als flehend beschwor er den Freund, bei Bewusstsein zu bleiben. »Mach die Augen auf, Wolf! Bleib bei uns!«
Der Medicus ließ nicht lange auf sich warten. Er legte den Verwundeten auf ein breites Holzbrett, damit
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