Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Wahrheit hören. Offen gesagt, liegt mir nichts an ihrer Bestrafung. Sie war von Anfang an nur Lockvogel und Opfer. Doch ihr drohen der Schandpfahl und Schlimmeres, wenn nicht endlich jemand die Stimme für sie erhebt.«
»Ich bin froh, dass Ihr das so seht, Majestät. Doch wer sollte das tun, seine Stimme für sie erheben?«
Beatrix sah ihn eindringlich an.
»Ihr natürlich! Seht mich nicht so ungläubig an. Ihr wisst längst, dass Ihr Aliza diesen Dienst schuldet. Ihre Schwester habt Ihr mit dem Schwert getötet, Aliza tötet Ihr mit Schweigen. Sollte sie Schandpfahl und Auspeitschen überleben, wird man sie aus der Pfalz jagen und für vogelfrei erklären. Noch haben wir Winter. Sie wird Wegelagerern und Landstreichern in die Hände fallen, erfrieren oder verhungern.«
»Hört auf, ich bitte Euch. Und doch: Ihr wisst nicht, was Ihr von mir verlangt!«
»Oh doch, Rupert von Urach, ich weiß es genau. Nutzt den Gerichtstag des Kaisers, um das Doppelspiel des Zähringers öffentlich zu machen. Nennt die Namen der Männer und Frauen, die das Komplott mittragen. Zeigt auf, mit welchen Mitteln Alizas Gehorsam erpresst wurde, damit sie unbescholten freikommt.«
Rupert schluckte so angestrengt, dass die Halsmuskeln hervortraten.
»Es ist gegen den Eid, den ich meinem Lehnsherrn geschworen habe. Mein Ruf wäre bis ans Ende meines Lebens der eines Abtrünnigen«, versuchte er seinen Zwiespalt zu erklären.
»Ich weiß nicht, was Ihr für Aliza empfindet, aber dass Ihr Euch die Schuld an ihrem Schicksal gebt, lese ich in Euren Augen. Gott allein sieht bis in Euer Herz. Vor ihm müsst Ihr am Tag des Jüngsten Gerichtes bestehen, nicht vor Eurem Lehnsherrn.«
Stille breitete sich zwischen ihnen aus, bis Beatrix das Schweigen nicht länger aushielt.
»Sagt mir, wie geht es Wolf von Rheinau?«
»Nicht einmal der Medicus wagt eine Vorhersage. Berthold ist außer sich. Auch weil er die Schuldige nicht mehr zur Verantwortung ziehen kann. Noch hält er das Ganze für den unglücklichen Ausgang eines Hurenabenteuers. Der Erzkanzler hat befohlen, ihn in dieser Meinung zu belassen.«
»Damit sich Berthold bis zur Abreise aus Villa Lutra in Sicherheit wiegt.«
»Ein verständlicher Wunsch. Seid Ihr sicher, dass Euer Wunsch nach Rache im Sinne des Kaisers ist?«
»Ich verlange keine Rache. Nur Gerechtigkeit. Strafe für die Schuldigen, Schutz für die Unschuldige«, widersprach Beatrix hoheitsvoll.
Sie erhob sich, bekreuzigte sich und gab Agnes von Tennenburg das Zeichen zum Aufbruch.
Bislang hatte Beatrix an der Seite Friedrichs nur die angenehmen Seiten des Regierens kennengelernt. Öffentliche Auftritte, Hochämter und Empfänge mochten anstrengend sein, das Studium von Botschaften und Urkunden mühsam, Entscheidungen schwer zu treffen, aber Verantwortung für andere Leben zu tragen war eine neue Erfahrung. Sie spürte die Last schwer.
Elftes Kapitel Wahrheiten
Rupert von Urach
Villa Lutra, 9. Januar 1157
I n der Pfalzkapelle hielten sie die Totenwache für Wolf. Rupert hatte sich nach der Laudes von den Knien erhoben. Seine Gebete waren gesprochen, sein Entschluss gefasst. Wolf hätte ihn sicher, realistisch wie er war, nicht gebilligt.
Dennoch fochten ihn keine Zweifel an. So verlockend die Zukunft war, die ihm Clementia in Sachsen anbot, er würde auch im Osten keinen Frieden finden. Er war schuld, dass Alizas Leben aus den Fugen geraten war. Es war an der Zeit, dass er dafür die Verantwortung übernahm.
Das Gespräch mit der Königin hatte seine Hochachtung vor Beatrix bestärkt, selbst wenn sie ihn für ihre eigenen Zwecke manipulierte. Sie hatte ihm einen Weg gewiesen. Dass er ihn begehen wollte, war allein seine Entscheidung. Sie war klug genug gewesen, ihn nicht zwingen zu wollen.
Bei dem Gedanken, dass sich am Ende des Tages die Kerkertüren hinter ihm schließen würden, musste er Mut fassen, sich der Dunkelheit und den eigenen Dämonen zu stellen.
Der Gerichtstag von Villa Lutra war im Gefolge des Dreikönigsfestes auf diesen Mittwoch gelegt worden, damit auch solche Streitigkeiten unter den Fürsten beigelegt werden konnten, die der persönlichen Schlichtung des Kaisers bedurften. Vom Tag seiner Krönung an, hatte Barbarossa großen Wert darauf gelegt, sein Recht auf die höchste Gerichtsbarkeit im Lande wahrzunehmen.
Bis zum ärmsten Tagelöhner war die Geschichte vom vorletzten Weihnachtstag in Worms gedrungen. Damals hatte Barbarossa Pfalzgraf Hermann von Stahleck und zehn aufständische Grafen
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