Der Blutfluch: Roman (German Edition)
er unverzüglich in das Zähringer-Quartier getragen werden konnte. Ohne Bewusstsein, mit scharfen, blutleeren Zügen, lag Wolf auf dem Rücken.
Königin Beatrix
Villa Lutra, 8. Januar 1157
S alve, Regina, mater misericordiae; vita, dulcedo et spes nostra, salve. Ad te clamamus, exules filii Evae …«
Beatrix stockte. Sosehr sie versuchte, Zuflucht im Gebet zu finden, die Selbstvorwürfe brachte sie nicht zum Verstummen.
Dass der Erzkanzler gegen Aliza unnachgiebige Strenge walten lassen würde, verschaffte ihr keineswegs die erhoffte Befriedigung. Im Gegenteil. Es drängte sie danach, ihm Einhalt zu gebieten. Sie bereute ihre unbedachte Forderung längst, wollte nicht, dass man Aliza folterte. Es würde nichts ändern.
Was immer sich in Regensburg und Villa Lutra ereignet hatte, es war nicht allein Alizas Schuld. Sie konnte weder Friedrich noch sich selbst einfach freisprechen. Musste Friedrich allzu leicht der Verführung nachgeben? Wenn sie seinen Wünschen nicht genügte, musste sie dann nicht ihr Ungenügen beklagen?
»Zu dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.«
Nein, das Gebet schenkte ihr keinen Trost. Man hatte sie zur Königin gekrönt, aber im Gegensatz zur Königin des Himmels war sie weder gütig noch mild. Rachsucht hatte sie beherrscht. Zu allem Überfluss hatte sie ihre königliche Autorität dazu missbraucht, den Kanzler einzubeziehen.
»Königliche Hoheit, Majestät. Bitte verzeiht, aber der Erzkanzler besteht auf der Bitte um eine Audienz bei Euch.«
Ihre Ehrendamen hatten Agnes von Tennenburg geschickt, diese Nachricht zu überbringen, nachdem sie zuvor einige von ihnen außerordentlich kritisch zurechtgewiesen hatte.
»Danke, Frau Agnes.«
Beatrix bekreuzigte sich flüchtig und erhob sich, der so viel Älteren Respekt erweisend.
Von Dassel? War das Verhör schon zu Ende? Oder hatte es etwa noch gar nicht stattgefunden? Sie traute es dem Erzkanzler ohne weiteres zu, dass er sich über ihre Anordnung hinwegsetzte. Er hatte schon im ersten Gespräch vor übereilten Vermutungen und Schlüssen gewarnt. Sie musste sich seine Sachlichkeit zum Vorbild nehmen. Es war ein Fehler, überstürzt und ohne nachzudenken derart schreckliche Befehle zu geben.
»Führt den Herrn Erzkanzler herein, Frau Agnes«, bat sie.
»Der Kanzler erwartet Euch im südlichen Söllergemach, Majestät.«
Agnes von Tennenburg wusste, dass es sich nicht einmal für den Erzkanzler gehörte, die Königin auf solche Weise zu sich zu bitten. Dass er es als Mann von untadeliger Erziehung dennoch tat, musste besondere Gründe haben.
Von Unruhe wie von Neugier getrieben, machte sich Beatrix unverzüglich auf den Weg. Sie eilte Agnes von Tennenburg so hastig voraus, dass diese auf halbem Wege, nach Atem ringend, innehalten musste, während die Königin bereits in das Söllergemach trat und die Pforte nachdrücklich hinter sich schloss.
Der Kanzler empfing sie in Gegenwart von Rupert, der ihr Reverenz erwies.
Beatrix suchte direkt seinen Blick.
»Wollt Ihr mir erklären, worum es geht?«
Dass sich Rupert in Begleitung des Erzkanzlers befand, musste bedeuten, dass er Aliza entlastet hatte. Hoffnung keimte auf in ihr.
Sie wich der Fassungslosigkeit, als der Erzkanzler in knappen Worten die Geschehnisse im Kerkerturm zu schildern begann, von denen er selbst durch Rupert gerade erst erfahren hatte.
»Wie kann eine schwache Frau, noch dazu als Gefangene, einen Ritter überwältigen? Das Mädchen ist kaum eine Handbreit größer als ich.«
»Ihr kennt Sizma, Majestät?«
»Natürlich. Von ihr weiß ich, dass Aliza den Auftrag hatte, dem Kaiser das Bett zu wärmen.«
»Und ihr habt das geglaubt?«
»Aliza selbst hat es nicht geleugnet …« Verärgert presste sie die Handflächen gegeneinander. »… und gesteht, Urach, auch Ihr habt das schäbige Spiel mitgespielt, mit dem ich arglistig hintergangen werden sollte. Ist das Ritterehre?«
Rupert stieg das Blut zu Kopf.
»Bemüht Euch nicht«, schnitt sie ihm das Wort ab, ehe er sich verteidigen konnte. »Mir ist bewusst, dass Ihr den Zähringern dient und nicht den Staufern. So wie mir bewusst ist, dass Aliza unter Eurer und Bertholds Befehlsgewalt handelte und Ihr mir lediglich vorgegaukelt habt, dass Ihr zärtliche Gefühle für sie hegt. Dennoch ist es Verrat und muss bestraft werden.«
»Majestät, ist es gerecht, Aliza verurteilen zu lassen, wo Ihr doch wisst wie keine andere, dass sie dem Kaiser niemals und schon gar nicht aus eigenem
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