Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Majestät. Angenehme Nachtruhe.«
Die Ehrendamen und Mägde knicksten ehrfurchtsvoll und verließen das Gemach. Beatrix blieb allein zurück. Die plötzliche Stille bedrückte sie.
Alles hätte sie in diesem Moment gegeben für eine vertraute Person, die sie anhörte und ihr Rat gab. Allein, an wen sollte sie sich wenden? Der Hofstaat war ihr fremd. Seit sie das Kloster verlassen hatte, war sie von Menschen umgeben, die ihre Dienste taten. Man erwies ihr Respekt, und ihre Ehrendamen stammten aus den ersten Familien des Reiches, waren teilweise sogar mit dem Kaiser verwandt, aber das machte ihr niemanden zur Freundin. Beatrix mochte jung und unerfahren sein, aber ihr Verstand ließ sie vorsichtig sein. Ehe sie jemandem Vertrauen schenkte, musste sie ihn kennenlernen.
Es hielt sie nicht länger im Bett. Sie warf die Decke zurück und rutschte von der Matratze des Alkovens. Der Raum lag im Dunkeln, nur die Nachtkerze gab ein kleines flackerndes Licht. Zwischen den halbrunden Steinbögen des Fensters schimmerte der Nachthimmel. Die dünne Mondsichel spiegelte sich im Main und zeichnete silbrig die Konturen der Stadt nach. Sie stützte sich am Sims auf die Arme, streckte neugierig den Kopf ins Freie und versuchte Einzelheiten zu erkennen.
Die Lage Würzburgs am Fluss erinnerte sie unwillkürlich an Besançon, wo sie die wenigen glücklichen Jahre unbeschwerter Kindheit verbracht hatte. Es erschienen ihr keine klaren Bilder mehr, aber ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit stellte sich ein, wenn sie an diese Zeit dachte. Städte an einem Fluss schienen auf Anhieb ihr Herz zu gewinnen. Leise gab sie einen Seufzer frei.
Sie hatte weder das Öffnen der Tür noch Friedrichs Schritte gehört.
»Die Nachtluft ist kühl. Du musst besser auf dich achten, Beatrix. Ich dachte, du schläfst schon. Du hast müde ausgesehen in der Halle.«
Wie lautlos er sich bewegen konnte, dachte sie, während sie sich umwandte nach Friedrich, der ohne anzuklopfen eingetreten war.
»Ich habe auf dich gewartet«, flüsterte sie leise und kreuzte die Arme vor der Brust. Sie trug nur ein Hemd.
»Vor dem offenen Fenster?«
Seine Stimme klang sanft, ruhig, nicht so bestimmend wie bei öffentlichen Gelegenheiten. Sie nahm es als ein gutes Omen und nutzte unverzüglich die Möglichkeit, die sich ihr bot. Er machte den Eindruck, als würde er ihr ernsthaft zuhören wollen.
»Es tut mir leid, dass ich deinen Erwartungen wohl nicht entspreche, aber du solltest wissen, dass ich schon lange kein Kind mehr bin. Ich kann meine Pflicht tun, als Königin und als deine Frau. Ich habe dir Treue und Gehorsam geschworen, und ich bin bereit, deine Söhne zu empfangen. Willst du heute das Bett mit mir teilen?«
Sie hatte einladend und herzlich klingen wollen, aber in ihren Ohren hörte sie sich eher steif und kühl an. Niemand hatte ihr beigebracht, sich einem Mann angenehm zu machen. Zaghaft sah sie auf und musste den Kopf weit in den Nacken legen, um seinem Blick zu begegnen. Erstaunen lag darin.
»Wenn es dein Wille ist, ganz meine Frau zu sein, so macht mich das glücklich«, sagte er lächelnd und ergriff ihre Hände, die in seinen einfach verschwanden. »Ich wollte dir nur Zeit lassen, nicht etwa dich abweisen.«
Sollte sie lächeln? Nicken? Ehe Beatrix sich entscheiden konnte, führte er sie zum Bett. Schweigend legte er seine Kleider ab.
Er nahm ihre Einladung an.
Erleichtert hob sie die Schleiervorhänge. Die Augen geschlossen, wartete sie auf dem Bett, dass er ihr zeigte, wie es weitergehen sollte. Solange sie ihm nicht ins Gesicht sehen musste, fiel es ihr leichter, ihre Beklommenheit zu verbergen. Sie spürte seinen Blick und unterdrückte mit aller Macht ein Zittern. Gerne hätte sie gewusst, was er dachte. Was er in diesem Augenblick empfand.
Eine von der Kirche annullierte Ehe und die üblichen Liebschaften eines lebenslustigen Mannes lagen hinter Friedrich, das hatte sie dem Klatsch entnommen. Seine Manneskraft und seine Erfahrung standen danach wohl außer Frage. Was ihm fehlte, war lediglich ein legitimer Erbe.
Nur mit dem Hemd bekleidet, das mehr enthüllte als verbarg, lag die Frau vor ihm, von der sich Friedrich den Sohn erhoffte. Fast nackt wirkte sie noch feingliedriger, geradezu zerbrechlich. Doch auch weiblich – weiblicher, als er vermutet hatte. Die steifen Gewänder, die sie trug, hatten ihre Reize gründlich verborgen. Ihr Anblick trieb ihm das Blut heißer durch die Adern.
»Ich will mich bemühen, dir nicht weh zu
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