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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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vor Schmutz, der Kittelsaum tropfte. Er hatte sie nicht so groß in Erinnerung gehabt. Dafür ängstlicher. Jetzt konnte er keine Spur von Furcht entdecken, obwohl sein Faustschlag sie hart getroffen haben musste. Woher nahm sie den Mut, ihm zu trotzen?
    »Ihr schon wieder.«
    Die Worte bezeugten, dass das Erkennen auf Gegenseitigkeit beruhte. Ihre Stimme klang heiser, als müsse sie sich jedes Wort erst abringen. Auch der Klang der Stimme war unverwechselbar. Er begriff, weshalb sie am Fluss keinen Laut von sich gegeben hatte.
    »Danke, ich freue mich auch, dich wiederzusehen.«
    Ruperts Sinn für Humor gewann unerwartet Oberhand. Die Situation schien ihm mit einem Mal dermaßen absurd, dass er mit einem Lachen kämpfte. Welch ein Glück, dass Wolf nicht Zeuge dieses Wiedersehens geworden war. Er hatte ihm ein tanzendes Wunderwesen geschildert. In Wirklichkeit war das Mädchen ein Hitzkopf erster Güte.
    »Ich hab nicht gesagt, dass ich mich freue«, fauchte sie. »Was sucht Ihr eigentlich zwischen unseren Wagen? Bei uns gibt es keine Dirnen. Sucht lieber im Lager des Kaisers, da spazieren jede Menge Hübschlerinnen herum.«
    Seit er mit sechs Jahren der Obhut seiner Kindermagd entkommen war, hatte keine Frau ihn mehr dermaßen zurechtgestutzt. Zwischen Unmut und Bewunderung für ihre Beherztheit schwankend, ging er nicht auf ihre Vorwürfe ein, sondern fragte stattdessen: »Wann kann man dich wieder tanzen sehen?«
    Die Antwort ließ etwas auf sich warten. Der Themenwechsel besänftigte ihr stürmisches Gemüt jedoch ebenso schnell, wie der kippende Eimer es vorher zum Entflammen gebracht hatte.
    »Gar nicht, denn ich kann es nicht so gut wie die anderen«, sagte sie knapp.
    »Das ist nicht wahr«, erwiderte Rupert. »Mir hat dein Tanz in Würzburg gefallen. Du tanzt nach der Musik, während die anderen die Musikanten dazu zwingen, sich dem Rhythmus ihres Tanzes anzupassen.«
    »Ihr seid ein aufmerksamer Beobachter.«
    »Das kann nie schaden.«
    »Wohl wahr.«
    Die Aufregung hatte sich gelegt. Bedachtsam versuchten sie einander einzuschätzen.
    Rupert narrte eine Erinnerung, die er aber nicht zu fassen bekam. Woher kannte er ihren abwägenden Blick?
    Sie begann, sich den Schmutz von den Händen zu wischen, gleichzeitig rieb sie mit dem Spann des einen Fußes den Knöchel des anderen. Die Bewegung hatte etwas Rührendes, gleichzeitig zeigte sie ihm, dass sie auf dem feuchten Boden fror.
    »Wieso gehst du nicht zu den anderen ans Feuer? Die Nacht ist kalt.«
    »Ich habe Wichtigeres zu tun.«
    »Die Pilze.« Rupert wies mit dem Kinn zum Wagen. »Und Brombeeren vermutlich …«
    Ein Schulterzucken bedeutete ihm, dass sie das Gespräch nicht fortsetzen wollte. Eine vernünftige Entscheidung. Worüber sollten sie schon reden? Es gab keine Gemeinsamkeiten zwischen ihnen.
    Gut, dass er sie in Würzburg nicht mehr gefunden hatte, dachte er. Sie hätte den Kaiser nicht verführt, sondern verärgert. Bei der Vorstellung, sie würde mit Barbarossa so rüde umspringen wie mit ihm, musste er mit dem Kopf schütteln. Besser sah er zu, dass er weiterkam.
    Er grub in seinem Beutel nach ein paar Münzen.
    »Hier, nimm es als Entgelt dafür, dass ich dich aufgehalten habe, und für einen Kienspan, der mir den Weg zurück leuchtet.«
    Zögernd griff sie nach den beiden Silbermünzen.
    »Das ist zu viel«, zwang sie sich zu sagen.
    Rupert lachte. »Du bist die merkwürdigste Ägypterin, die ich je kennengelernt habe, weißt du das? Seit wann weist deinesgleichen Geld zurück?«
    »Wir sind vielleicht arm, aber wir sind keine Bettler«, entgegnete sie gekränkt. »Ihr habt keine Ahnung von unserer Art zu leben.«
    »Das stimmt«, nickte er beeindruckt. »Glaub mir, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich entschuldige mich.«
    Er griff nach dem Kienspan, den sie ihm hinhielt. Ehe er die Richtung einschlug, die sie ihm, am nächsten Karren vorbei, zum Feuer wies, hielt er noch einmal inne. Ihren Namen wollte er doch wissen.
    »Gott behüte deine Wege … Wie ist dein Name?«
    »Aliza.«
    »Gott behüte dich, Aliza.«
     
    Die Rittergruppe, der sich Wolf zum Würfelspiel angeschlossen hatte, saß unter dem Schutz eines Zeltvordaches. Wolf sah erst auf, als ihn bestialischer Gestank aus dem Vergnügen riss. Staunend entlarvte er ausgerechnet Rupert als Quelle des Ärgernisses.
    »Gott bewahre, hast du dich mit einer Dirne in der Gülle gewälzt? Ich schwöre dir, du stinkst wie die Grube eines Abdeckers. Komm uns bloß nicht zu nahe.«
    Erst

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