Der Blutfluch: Roman (German Edition)
heimisch werden, wenn du ständig Vergleiche mit Burgund ziehst?
»Ihr seid blass, Majestät. Ihr müsst einen Becher Würzwein trinken, ehe Ihr geht.«
Herzogin Clementia von Sachsen hatte sie am Vortag zusammen mit dem Bischof von Regensburg, Hartwig von Spanheim, in Donaustauf empfangen. Anfang zwanzig, zeigte die Edeldame alle Familienmerkmale der Zähringer. Sie war blond, helläugig, hochgewachsen und ausnehmend stolz. Sogar als sie das Knie vor ihrer Königin gebeugt hatte, zeigte sie keine erkennbare Demut in der Haltung. Die Herzogin wusste zu befehlen. Aber sie würde lernen müssen, dass sie der Königin keine Vorschriften zu machen hatte.
»Ich möchte keinen Wein. Ich bin es gewohnt, erst nach der ersten Messe zu essen und zu trinken«, lehnte sie ab.
Clementia zog den Becher zurück und deutete eine stumme Reverenz an, die Beatrix mit hoheitsvollem Nicken zur Kenntnis nahm.
Da das Haus Zähringen bis zu ihrer Ehe mit dem Kaiser das Rektorat über Burgund ausgeübt hatte, wollte Beatrix gerne alles über die Familie in Erfahrung bringen. Das Amt des
Rector Burgundiae
war 1127 von König Lothar extra für die Zähringer geschaffen worden. Indem er Konrad zu seinem unmittelbaren Stellvertreter in Burgund machte, zog er sich aus jahrelangen Erbschaftsstreitigkeiten formal zurück. Im Südwesten hatte er Konrad nahezu freie Hand gelassen, künftig seine eigenen Interessen vor die burgundischen zu setzen.
Die Stammburg der Familie lag am Rande des Schwarzwaldes. Konrad von Zähringen, Clementias und Bertholds Vater, hatte mit Beatrix’ Vormund, dem Bischof, bis zu seinem Tode um Einfluss und Herrschaft gerungen. Im östlichen Teil, zu dem Dôle und Besançon ebenso gehörten wie das Gebiet von Aosta bis Basel, war ihm zeitweilig Erfolg beschieden gewesen. Beatrix konnte sich an einige seiner Besuche erinnern, die dem Bischof tödliche Laune beschert hatten.
Immer wieder fragte sie sich, was aus ihr geworden wäre, wenn Konrad länger gelebt hätte. Wäre sie dann statt mit Friedrich mit Berthold von Zähringen verheiratet worden? Welch ein Glück, dass es nicht dazu gekommen war. So ehrerbietig Berthold auch seine Pflichten versah, wenn sich ihre Augen einmal trafen, kam es ihr stets so vor, als senke sich ein Vorhang über seine Miene. Ein Vorhang, hinter dem er sein wahres Ich verbarg.
Aus welchen Gründen?
Clementia hielt sich musterhaft im Hintergrund, während die Kammerfrau Beatrix den Pelzumhang über die Schultern legte und mit einer smaragdbesetzten Fibel feststeckte. Dennoch glaubte sie sich ununterbrochen von ihr beobachtet.
Weshalb war die Herzogin an der Seite des Bischofs nach Donaustauf vorausgeeilt? Heinrich der Löwe, ihr Gemahl, war nicht nur Friedrichs Vetter, sondern auch sein gefährlichster Rivale. Der Hoftag in Regensburg diente in erster Linie dazu, seine Interessen zu wahren. Nur wenn es dem Kaiser gelang, Heinrich Jasomirgott dazu zu bewegen, dass er Bayern endlich offiziell aufgab, durfte sich Clementias Mann künftig wieder Herzog von Sachsen und Bayern nennen. Sein Vater hatte diesen Titel getragen, und Heinrich war er im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen Staufern und Welfen abhanden gekommen. Die Schande rückgängig zu machen war sein höchster Ehrgeiz.
Aber wie wollte Friedrich diesen gordischen Knoten zur Zufriedenheit aller zerschlagen? Beatrix vermutete, dass sich Clementia die gleiche Frage stellte. Fröstelnd zog sie den Mantel um sich und schritt zur Tür. Zu ihrer Beklommenheit gesellte sich ein zweites, diffuses Gefühl, halb Magenkrampf, halb Ziehen im Unterleib. War ihr eine Speise des Festmahls vom Vorabend nicht bekommen?
Unter den Säulen der Burgkapelle erwartete sie der Bischof im Kreis seiner Würdenträger. Statt einer schlichten Andacht zelebrierte er eine vollständige Messe, der Beatrix ohne jedes Zeichen von Ungeduld beiwohnte. Im Gegensatz zu Clementia, deren Röcke bei jeder Bewegung raschelnd verrieten, dass sie nicht bei der Sache war. Welches Unwohlsein plagte die Herzogin? Zweifellos stand sie unter höchster Anspannung.
Beatrix nahm sich vor, Clementia genauer im Auge zu behalten, aber sie vergaß den Plan schon bei der Morgenmahlzeit. Nur mit Mühe konnte sie unter den aufgetragenen Speisen ihre Wahl treffen. Schon nach wenigen Bissen widerstand ihr das deftig gewürzte Essen.
»Schwester, bist du es wirklich?«
Der Ausruf lenkte Beatrix kurz ab. Berthold und Clementia umarmten sich herzlich. Die Wiedersehensfreude wirkte
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