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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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bitter den Mund. Die Ausweglosigkeit ihres Daseins bedrückte sie. Ihr Hass auf das fahrende Leben steigerte sich in einen Hass auf die Bürger, die Herrschenden und das Schicksal. Sie würde jede, auch die kleinste Möglichkeit ergreifen, diesem Elend zu entfliehen.
    Unzufrieden wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn. Staub und Schweiß hinterließen Schlieren auf der Haut. Die Kratzer der Brombeerranken waren zu juckenden Pusteln geworden. Statt des Schlammes vom Morgen drückten sich jetzt Kieselsteine und abgeknickte Halme zwischen ihre Zehen. Wie es sich wohl anfühlte, Lederschuhe zu tragen? Stiefel wie der Würzburger Ritter?
    Herr im Himmel, ist es zu viel verlangt, sauber, satt und sicher leben zu wollen? Was muss ich tun, um das zu erreichen? Meine Seele verkaufen?
    »Träum nicht.« Sizmas Rippenstoß traf sie unerwartet und schmerzhaft. »Hier, nimm das Joch mit den Eimern. Die Mutter hatte dir das Gerben aufgetragen.«
    Die Arme um das Holzjoch gelegt, das ihre Schultern niederdrückte, hatte Aliza Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Mit zusammengebissenen Zähnen suchte sie ihren Weg.
    Niemand half ihr.
    Rupert von Urach
Burg Donaustauf, 1. September 1156
    I n der großen Halle waren nach dem Essen die Schragentische wieder abgebaut und die Bänke an der Seite gestapelt worden. Ein Großteil der Männer schlief, in ihre Umhänge gewickelt, auf dem Stroh, das vor der Kälte des Steinbodens nur unzureichend schützte. Auch Rupert hatte kein anderes Lager gefunden. Die Kammer, die er in den letzten Tagen mit Wolf geteilt hatte, war von den Ehrendamen der Kaiserin belegt worden. Das Wohnhaus von Donaustauf platzte aus allen Nähten. Nur die allerhöchsten Herrschaften genossen den Luxus eines eigenen Bettes. Der Kaisertross übernachtete in hastig aufgestellten Zelten zu Füßen der Burg oder gleich in den Reisewagen. Binnen kürzester Zeit war dort ein quirliges Heerlager entstanden. Sogar ein paar Gaukler und Spielleute hatten sich zusammen mit fahrendem Volk eingefunden, wie Wolf kopfschüttelnd berichtete.
    »Menschenansammlungen ziehen dieses Pack an wie das Licht der Fackeln die Nachtfalter. Der Bischof hat eine Wagenladung voller Weinfässer hinunterschaffen lassen, und an den Lagerfeuern braten ganze Ochsen. Seine Eminenz veranstaltet notgedrungen ein Festessen, damit kein böses Blut entsteht. Wir sollten uns das nicht entgehen lassen. Komm mit, sehen wir uns den Kirmestrubel an. Das ist allemal besser, als den Kerlen hier beim Schnarchen zuzuhören.«
    Rupert zögerte, entschied sich aber dann doch, dem Freund zu folgen. Berthold tagte indessen mit dem Kaiser und seinen Ratgebern. Seit er sich nach Würzburg – unter dem Einfluss seiner Schwester – dazu entschieden hatte, Barbarossa als Waffengefährte zur Seite zu stehen, spielte er den ergebenen Reichsfürsten.
    Nicht zum ersten Mal fragte sich Rupert, wie viele seiner Ratgeber dem Kaiser wirklich treu dienten und wie viele, wie Berthold, auf den richtigen Augenblick warteten, die eigenen Pläne zu verwirklichen.
    Berthold gab sich auch in Donaustauf perfekt den Anschein des treuen Vasallen, dem jeder Wunsch seines Herrschers Befehl war. Egal ob es darum ging, auf dem Weg zum Reichstag in Regensburg dafür zu sorgen, dass Barbarossa und Beatrix ein angemessenes Nachtlager und volle Teller vorfanden, oder ob es um die Aussendung kaiserlicher Kuriere ging – er nahm sich der Sache an. Die praktische Arbeit blieb dabei zum größten Teil an Rupert und Wolf hängen, was beide als selbstverständlich hinnahmen. Sie waren Bertholds Männer, egal ob auf dem Schlachtfeld oder im Tross des Kaisers.
    Von der Donau stiegen feuchte Nebelschwaden über die Wehrmauern herauf, als sie ins Freie traten. Dankbar dafür, dass er keinen Harnisch tragen musste, verschloss Rupert seinen Umhang. Mistwetter wie dieses hinterließ Rostspuren zwischen den Kettengliedern, die mit Sand nur mühsam entfernt werden konnten.
    Sicher würde in Regensburg ein Turnier stattfinden. Er wollte nicht erst seine Ausrüstung reinigen müssen, ehe er in die Schranken reiten konnte. Da Turniere eine hervorragende Gelegenheit für jeden Ritter waren, zu Wohlstand und Ansehen zu kommen, würde er sich, wenn auch mit Widerwillen, im Wettstreit mit den anderen Edelmännern messen. Bei jedem Turnier riskierte man Kopf und Kragen.
    »Warte.« Wolf hielt ihn auf dem Weg zurück und nickte vielsagend in Richtung Torturm, wo soeben Kuno im Kreis anderer Ritter in den Burghof

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