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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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lüften, das sie umgibt, lässt dich alles andere vergessen. Ihrer Herausforderung könnte auch der Kaiser nicht widerstehen, dessen bin ich sicher.«
    Wolf drehte dem Feuer der Tänzerinnen den Rücken zu. »Schluss mit den Hirngespinsten und den poetischen Vergleichen. Was wir beide brauchen, sind keine Weiber, sondern ein volles Weinfass.«
    Er hatte recht. Rupert schlenderte neben seinem Freund her. Er sollte auf ihn hören. Es war sinnlos, jede Sippe des fahrenden Volkes nach einem Phantom abzusuchen. Er hatte Wichtigeres zu tun.
    Die Grenzen der Zeltstadt des Kaisers und die des Ägypterlagers gingen ineinander über. Die Fahrenden hatten sich die Tatsache zunutze gemacht, dass der Tross des Kaisers sein Lager in aller Hast hatte aufschlagen müssen. Sicher war bei dieser Gelegenheit auch das eine oder andere Weinfass des Bischofs im bemalten Karren gelandet. Die Männer der Stämme waren nicht nur bekannt für ihre Fingerfertigkeit als Korbflechter und Kupferschmiede, sie waren auch berüchtigt für ihre Fertigkeiten als Diebe und Messerwerfer.
    Eine schemenhafte Bewegung hinter einem der Wagen erregte Ruperts Aufmerksamkeit. Ein Dieb? Wer in einer kühlen Nacht wie dieser nicht das wärmende Feuer suchte, führte nichts Gutes im Schilde. Er wollte nachsehen.
    »Wo willst du hin?«
    Wolf packte Rupert am Wappenrock. Der aber befreite sich und schlüpfte wortlos davon. Er hätte nicht gewusst, wie er dem anderen das drängende Gefühl erklären sollte, das ihn dazu trieb, sich in Dinge einzumischen, die ihn vermutlich nichts angingen. Er hörte Wolfs Fluchen hinter sich, ließ sich aber nicht aufhalten.
    Außerhalb des Feuerscheins war die Nacht von undurchdringlicher Finsternis. Da Rupert den Himmel über sich wusste, wurde er nicht von den Ängsten geplagt, die ihn in abgeschlossenen Räumen heimsuchten. Er wählte seinen Weg mit Bedacht, konnte aber nicht verhindern, dass er immer wieder in Pfützen trat oder gegen Hindernisse stieß. Im Labyrinth der Zelte und Wagen stank es bestialisch. Er wollte die Richtung ändern und stieß dabei gegen einen Eimer, dessen Inhalt glucksend über seine Stiefel schwappte. Pisse. Scharfer Uringestank stieg in Schwaden auf.
    Lästerlich fluchend, schüttelte er auf einem Bein stehend das andere halbwegs trocken. Ekelhaft und scharf reizte jeder Atemzug die Lungen.
    »Was ist hier los?«
    Eine junge Frau leuchtete mit einem Kienspan das Dunkel aus.
    »Was suchst du bei den Eimern mit den Häuten?«, schimpfte sie aufgebracht. »Ich habe sie extra hinter dem Wagen verstaut. Hast sie wohl doch gefunden, Schlaumeier. Wie kann ein Mensch nur so ungeschickt und tölpelhaft herumstolpern? Pack dich, ehe Rupa dir Hammelbeine macht.«
    Das
tölpelhaft
und das
pack dich
ließen Rupert aus der Haut fahren.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen, Weib? Wie redest du mit mir?«
    Er griff nach der Frau und bekam einen Arm unter grobem Leinen zu fassen. Harsch zog er sie zum nächsten Karren, hinter dessen Plane ein unruhiges Öllicht flackerte. Er wollte sie sehen, diese Kratzbürste. Dass sie jung war und sich geschmeidig bewegte, wurde ihm schnell bestätigt.
    »Lass mich!«
    Ein nackter Fuß trat gegen seinen Oberschenkel. Nur einer instinktiven Drehung verdankte er es, dass die Hitzköpfige das anvisierte Ziel zwischen seinen Beinen glücklich verfehlte.
    »Das reicht!«
    Rupert gebrauchte die Fäuste, weil er sich ihrer anders nicht erwehren konnte. Obwohl er nur mit halber Kraft gegen ihre Schulter stieß, warf sie der Hieb nach hinten in eine Pfütze. Augenblicklich schlug ihn das Gewissen. Wildkatze oder nicht, Gewalt gegen Frauen verbot seine Ehre. Besorgt warf er die Plane des Karrens zurück, damit er nach der Laterne greifen konnte. Ein kurzer Blick auf den Wagenboden zeigte ihm, dass die Frau dabei gewesen war, getrocknete Pilze zu sortieren.
    Im Lichtschein rappelte sie sich blitzschnell wieder auf, die Röcke nass, die Hände schmutzig, die Wangen brennend vor Empörung. Sie schwang sich den armdicken Zopf über den Rücken, während sie sich gleichzeitig eine rote Strähne aus der Stirn blies. Grüne Flammen loderten ihr aus den Augen.
    Das Öllicht in Ruperts Hand warf flackernde Schatten. Seine Pupillen weiteten sich ungläubig. Sein erster Eindruck am Fluss war der richtige gewesen. Nur das Kopftuch hatte ihn am Morgen in die Irre geführt. Die Haare machten sie unverwechselbar.
    Langsam wanderten seine Blicke von oben nach unten. Ihre bloßen Füße starrten

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