Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Kinder und Jugendlichen auf der Burg. Der Erbe, um fünf Jahre älter als der Knappe, mochte zwar ihr unbestrittener Anführer gewesen sein, aber seinem Vater hatte er nie etwas recht machen können. Rupert, dem weder Tollkühnheit noch Rauflust in die Wiege gelegt worden waren, verdankte Berthold das Vertuschen zahlloser Dummheiten. Sein Witz und sein Verstand waren wie geschaffen, Lösungen und Auswege zu finden. Die kleine Schwester, die Rupert wie ein Schatten auf den Fersen klebte, hatten beide nach Kräften übersehen. Ein Mädchen, das davon träumte, Ritter zu werden, war in ihren Augen ein närrisches Geschöpf.
Rupert beging nicht den Fehler, Clementia an diese Zeiten zu erinnern. Sie war kein Kind mehr, das er ohne Vorbehalt in seine Arme schließen durfte. Er erhob sich und erwiderte ihre Umarmung mit erkennbarem Respekt.
»Ansehnlich
und
ein Edelmann mit erfreulichen Manieren«, vervollständigte Clementia ihre Einschätzung und schenkte ihm ein Lächeln, das über bloße Höflichkeit hinausging. »Es ist gut, dass du meinem Bruder in diesen Zeiten zur Seite stehst. Sie sind schwierig genug für das Haus Zähringen.«
»Nur für Zähringen?«, fragte Rupert.
Clementia verstand die Anspielung. »Um Heinrich den Löwen muss man sich keine Sorgen machen. Er wird von diesem Reichstag bekommen, was er sich wünscht. Der Kaiser ist am Zug. Er muss einen Kompromiss finden, der sowohl Heinrich wie Jasomirgott zufriedenstellt. Barbarossa kann es sich mit keinem von beiden verscherzen. Er braucht sie zum Erhalt seiner Macht.«
»Das ist allgemein bekannt«, wollte Berthold das Gespräch an sich reißen, das in der kleinen Kammer stattfand, die Clementia aufgrund ihres Ranges und ihrer frühen Ankunft in Begleitung des Bischofs in der Burg für sich in Anspruch nehmen konnte, obwohl diese total überfüllt war. Sie hatte den Bruder zu sich gebeten. Dass er Rupert mitbrachte, zeigte ihr, dass sich das Verhältnis beider Männer nicht geändert hatte.
»Das wahre Problem des Kaisers sind nicht die deutschen Angelegenheiten, lieber Bruder, sondern seine Geldnot«, fuhr Clementia fort. »Die Königin hat ihm Ländereien und Soldaten eingebracht, aber kein Geld. Das will er sich nun in den italienischen Städten holen, die zu seinem Imperium gehören.«
»Er plant den nächsten Italienfeldzug, das ist kein Geheimnis. Es ist ihm zuzutrauen, dass er seine Bewaffneten noch vor dem Winter nach Süden führt. Jeder Sieg in der Lombardei wird seine Macht weiter festigen«, knurrte Berthold. Clementias Widerspruch reizte ihn.
»Keine Sorge, Berthold, solange die Königin nicht völlig gesund ist, wird er nicht in den Krieg ziehen. Er hat die kleine Burgunderin wahrhaft ins Herz geschlossen. Und bis sie gesund ist, sind die Bergpässe längst zugeschneit, und er muss seine ehrgeizigen Pläne auf das nächste Jahr verschieben.«
»Seit wann ist die Königin krank?«, fragte Rupert.
»Sie hat ihr erstes Kind verloren. Nicht überraschend. In Anbetracht ihrer Kindlichkeit musste man damit rechnen.«
»Eine Fehlgeburt? Wieso weiß ich nichts davon, dass sie schwanger war?«
»Offensichtlich wusste nicht einmal die Königin selbst, dass sie schwanger war, Berthold. Kinder so junger Frauen sind häufig nicht lebensfähig, und die Geburt gefährdet massiv die Gesundheit der Mutter. Wenn der Kaiser von diesem Risiko erfährt, wird er Beatrix in den nächsten Wochen mit seinen Aufmerksamkeiten in der Schlafkammer sicher verschonen. Die Geburt eines Thronerben ist demnach weiter entfernt denn je.«
Sie sprach aus Erfahrung, Rupert war sich dessen sicher. Heinrich der Löwe verlangte, ebenso wie der Kaiser, dringend nach einem Erben. Seines Wissens hatte bisher nur eines von Clementias Kindern überlebt. Unglücklicherweise ein Mädchen.
»Warst du an ihrer Seite, als es geschah?«, forschte Berthold.
»Wie du es wolltest«, nickte sie. »Sie ist freilich kein Mensch, der zu vertraulichem Umgang neigt. Obwohl sie mir huldvoll begegnet, spüre ich Vorbehalte.«
»Überwinde sie. Du bist die ranghöchste ihrer Damen. Dir wird es auch zufallen, den Kaiser zu bitten, seine Frau in den nächsten Monaten nachts zu verschonen. Fürsorglich musst du ihm klarmachen, dass ihr Leben von seiner Enthaltsamkeit abhängt.«
»Ich werde Barbarossa kaum Zurückhaltung auferlegen können. Ich bin die Herzogin von Sachsen, keine besorgte Wehmutter.«
»Aber du hast selbst Kinder zur Welt gebracht, das verleiht dir die nötige Autorität.
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