Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Ihr haftet mir mit Eurem Leben für sie.«
Er ließ sie allein in Donaustauf zurück.
Hinter Beatrix’ Lidern brannten die Tränen. Sie fühlte Friedrichs Kuss auf der Stirn und wagte nicht, ihn anzusehen. Sie fürchtete um ihre Beherrschung.
»Bekomme ich ein Kind?«
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie diese Frage endlich stellen konnte. Erschöpft und wund, aber wieder bei klarem Bewusstsein, forderte sie Auskunft.
»Dieses Mal nicht, Majestät«, antwortete die Kammerfrau mitfühlend.
»Dann gibt es ein nächstes Mal?«
»Die Wehmutter ist sich dessen sicher.«
Erleichtert überließ sie ihren Körper der Pflege der Frauen.
Ihre Gedanken wandten sich dem winzigen Funken Leben zu, der sie kurze Zeit begleitet hatte und erloschen war, ohne dass sie von ihm wusste. Sie legte ihn mit einem Gebet in Gottes Hände zurück. War es ein Knabe gewesen? Ein Mädchen? Wie hätte es ausgesehen?
Fragen über Fragen, die schließlich in einem Vorwurf endeten, den sie sich selbst machte.
Was hatte sie falsch gemacht?
Sie musste es in Erfahrung bringen, um für ein nächstes Mal gewappnet zu sein. In ihrer Position waren Fehler unverzeihlich, auch das hatte die Äbtissin von Dôle ihr mit auf den Weg gegeben. Vielleicht wäre das Unglück zu verhindern gewesen, hätte sie mehr über sich und ihren Körper gewusst. Wie dumm, den Leibschmerzen nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Sie hatte Informationen über Friedrich, über seine Politik und seine Anhänger gesammelt, wie ein Bettler Brosamen. Aber sie hatte darüber vergessen, dass sie ihre Aufgabe als Frau erfüllen musste.
Niemand hatte sie vorbereitet, wie es sich gehörte. Ihre Mutter, deren Aufgabe es gewesen wäre, war zu früh gestorben. Die Äbtissin von Dôle hatte sich nicht dazu berufen gefühlt, über Einzelheiten zu sprechen. Ihrem Onkel war nur daran gelegen gewesen, sie zu einer Nonne zu erziehen. Zu einer künftigen Äbtissin, nicht zu einer Königin, deren Pflicht es war, Erben zu gebären.
Als nach seinem Tod so überhastet ihre Heirat mit dem Kaiser beschlossen wurde, war allein über Mitgift und politische Folgen verhandelt worden. Alle Welt ging mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, dass sie wusste, worin ihre Pflichten bestanden, und dass sie diese gehorsam und vollendet erfüllen würde.
Unter halb gesenkten Lidern beobachtete sie ihr weibliches Gefolge. Die Ehre, der Königin zu dienen, hielt es nicht davon ab, sie wie ein unmündiges Kind zu behandeln. Eingeschüchtert von den ehrwürdigen Namen und der Lebenserfahrung dieser Edelfrauen, hatte sie es bislang geduldig über sich ergehen lassen. Sie bevormundeten sie wie die Nonnen im Kloster.
Keiner von ihnen brachte sie das nötige Vertrauen entgegen, das für ein so persönliches und intimes Gespräch Vorbedingung war. Auch fürchtete sie, ähnlich wie Clementia zum Gegenstand des Hofklatsches zu werden. Sie musste andere Wege finden, sich kundig zu machen.
»Lieber Himmel, warum trägt die Königin noch immer diese blutigen Kleider? Helft ihr aus dem Gewand und bringt ein Glutbecken, schnell! Seht ihr nicht, dass sie vor Kälte mit den Zähnen klappert? Frisches Leinen, Rosenblütenwasser, Minzöl für die Schläfen und vor allen Dingen Stille. Mäßigt euer Geplauder, die Königin braucht Ruhe.«
Clementia?
Beatrix schlug die Augen auf und fand ihre Vermutung bestätigt. Die Nachricht von ihrem Schwächeanfall und der folgenden Fehlgeburt musste die Burg wie ein Blitz durcheilt haben. Erleichtert unterwarfen sich ihre Frauen den Befehlen der Herzogin. Clementia wusste, was sie tat. Möglicherweise hatte sie selbst schon ein Kind verloren und konnte erahnen, wie sie sich fühlte?
War sie, eine Zähringerin, vielleicht die Frau, die sie um Rat und Unterweisung bitten konnte?
Drittes Kapitel Schicksalsschläge
Rupert von Urach
Burg Donaustauf, 2. September 1156
A uf ein Knie sinkend, grüßte Rupert die Herzogin von Sachsen in aller Form.
»Herzogin.« Unbehaglich erinnerte er sich der Bubenstreiche und spöttischen Worte, die einmal dem Mädchen Clementia gegolten hatten.
»Aus dem Knappen ist also ein ansehnlicher Ritter geworden. Steh auf und lass dich umarmen. Ich freue mich, dich zu sehen.«
Aus den Augenwinkeln sah Rupert, dass Berthold, in dessen Begleitung er war, grinste. Die überraschende Begegnung war sein Werk. Einst hatten sie eine verschworene Gemeinschaft gebildet. Jeder war auf seine Weise ein Außenseiter in der Schar der
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