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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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musste er die Stricke enger anziehen, als er es guten Gewissens getan hätte. Alizas Blicke verrieten ihm, was sie davon hielt.
    Aliza
Burg Donaustauf, 3. September 1156
    D as stumpfe Ende der Lanze traf Aliza genau zwischen den Schulterblättern. Sie stolperte über die Schwelle der Kammer und riss Sizma an der gemeinsamen Fessel mit sich. Benommen fiel sie auf die Knie. Hinter ihr schlug die Tür zu. Ein Riegel kratzte in seiner Eisenschiene, danach umgab sie Stille. Stille und ein absonderliches Gefühl, das sie nicht benennen konnte.
    Sie sah verdutzt auf und erkannte, dass sie von Mauern umgeben waren. Weiß gekalkt, sauber, von einem Fenster und der Tür durchbrochen. Aliza hatte eine Kerkerzelle erwartet und befand sich nun zu ihrem grenzenlosen Erstaunen in einem Wohngemach.
    Das Fenster war mit Holzläden versehen. Augenblicklich standen sie offen, ließen Tageslicht ein. Ein Tisch mit zwei Bänken an den Längsseiten und ein Pfostenbett auf einem Podest bildeten die Einrichtung. Decken und Kissen bedeckten das Lager. Sie war auf einen gepflegten Holzboden gestürzt. Über ihr spannte sich eine Balkendecke, deren Querträger mit meisterlich geschnitzten Ornamenten verziert waren.
    Blinzelnd versuchte sie den Blick zu klären. Sah sie alles richtig? Zu bizarr kam ihr der Ortswechsel vor. In ihren Ohren schrillte noch das Wehklagen des Stammes, das sie bis an das Burgtor begleitet hatte. Die Angst um Leena stritt in ihr mit der Furcht vor dem Unbekannten. Was wollten die Männer des Bischofs von ihnen? Wieso machte der Ritter mit den Goldaugen mit ihnen gemeinsame Sache?
    Rupert hatten ihn seine Kameraden am Flußufer gerufen, entsann sie sich.
    Wut auf ihn stieg gallig bitter in ihr auf. Etwas in seiner Stimme, seinem Verhalten, seinen Worten hatte sie angenehm berührt. Und dann diese brutale Fesselung? Weshalb? Wegen der Tänze ihrer Stammesschwestern? Die Erklärung schien ihr zu einfach. Moralische Empörung rechtfertigte noch kein Blutvergießen. Was steckte hinter dem Übergriff auf ihre Freiheit?
    Gerne hätte sie es Sizma gleichgetan, die den ganzen Weg über getobt und geschrien hatte, bis sie heiser verstummt war. Sie teilte ja ihre Verzweiflung über die Ereignisse, wenngleich nicht ihren Schmerz um den Vater. Von Tibo hatte sie nur böse Worte und Schläge erhalten. Sein Hang zur Gewalttätigkeit hatte jede Tochterliebe längst erstickt. Ihre Sorge galt in erster Linie ihrer Ziehmutter, dennoch war ihr bewusst, dass Tibos Tod für den Stamm eine Katastrophe bedeutete. Ohne seine starke Hand würde alles aus dem Ruder laufen. Weder Milosh noch Tal oder einer der anderen Männer besaß seine Fähigkeit, die freiheitsliebenden Tamara dem Willen eines Anführers zu unterwerfen. Wenn künftig jeder tat, was er wollte, war der Stamm in Kürze dem Untergang geweiht.
    Sizma fand endlich zu sich. Mit dem nackten Fuß strich sie im Halbkreis über den glänzenden Holzboden. Ihre Bewegung hinterließ eine Schmutzspur, der sie sofort erbittert eine zweite danebensetzte.
    »Was wird das hier?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Du hast etwas damit zu tun. Ich weiß es. Ich fühle es.«
    Aliza kämpfte gegen die aufkommende Mutlosigkeit. Sie zerrte verbissen an den Fesseln. Wenn Sizma mithalf, konnten sie vielleicht die Knoten lösen. Sie machte indes keine Anstalten.
    »Lass deine Feindseligkeiten, Sizma. Wir müssen zusammenhalten.«
    »Wozu? Wir sind ohnehin nicht zu retten. Seit Leena dich als Tochter angenommen hat, bist du das Unheil der Sippe. Du hast den Blutfluch über uns gebracht.«
    »So ein Unsinn.«
    »Ich habe alles gehört in Würzburg. Danach habe ich Großmutter so lange bedrängt, bis sie mir Genaueres erzählt hat. Deine Mutter hat sich in den Fluss gestürzt. Sie ertrug es nicht, dass sie ein Satanskind zur Welt bringen musste. Sie wollte sich und ihr Kind opfern, um die böse Saat zu töten, aber Leena hat es verhindert. Sie hätte dich sterben lassen sollen, dann hätten die Männer meinen Vater heute nicht getötet.«
    »Du lügst.«
    Soweit es die Fesseln erlaubten, wich sie vor Sizma zurück. Ihr Hass traf sie umso schlimmer, da sie selbst die Wahrheit über ihre Herkunft nicht genau zu kennen glaubte. Ihrem Widerspruch fehlte es an Überzeugungskraft. Sizma spürte es und triumphierte.
    »Tatsache ist, du bist ein Hurenkind aus dem Burgundischen, blass und falsch. Und du bist verflucht. Du trägst ein Teufelsmal im Nacken, feuerrot und abstoßend. Deswegen will dich kein Mann unseres

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