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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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ihr entsprechend belohnt.«
    »Wie können wir tanzen, wenn am Fuße der Burg für unseren Vater die Trauergesänge angestimmt werden?«, widersetzte sich Aliza.
    »Ihr tut, was man euch befiehlt«, schnauzte Berthold und befahl Hildburg: »Wasch beiden den Mund mit Seifenkraut aus, damit sie lernen, wann sie ihn zu halten haben. Ich will sie erst wieder sehen, wenn sie sauber und stumm sind.«
    Er stürmte aus der Kammer und ließ die Frauen mit Rupert und Wolf zurück. Vor der Tür bellte er noch die Wachen an, dann war Stille. Aliza rief sich seine Worte ins Gedächtnis. Vor dem Kaiser sollten sie tanzen? Das konnte nur ein schlechter Scherz sein.
    »Ich verstehe das alles nicht«, sagte sie zu sich selbst.
    »Da bist du nicht die Einzige, Mädchen«, antwortete Hildburg.
    »Eure Qualitäten als Kammerfrau sind gefragt und nicht Euer Verständnis«, rief Wolf sie auf der Stelle zur Ordnung.
    »Und wie wollt Ihr die beiden dazu bringen, zu tun, was man ihnen sagt?«, fragte Hildburg.
    Rupert tauschte einen Blick mit Wolf, klemmte die Daumen unter den Ledergürtel seines Wamses und räusperte sich. Die Situation erforderte unmissverständliche Worte, auch wenn es Aliza schreckte.
    »Sie werden es tun, weil der kleinste Ungehorsam an ihrer Sippe geahndet wird. Gebt ihr Widerworte, wird eine der Frauen im Burghof dafür ausgepeitscht. Ein Fluchtversuch kostet einem eurer Männer das Leben. Es liegt in eurer Hand, wie ihr seht.«
    Aliza war entsetzt. In Sizmas Augen fand sie dieselbe Bestürzung. Ihr Mund fühlte sich trocken an, ihr Herzschlag stockte.
    »Macht es euch nicht schwerer als nötig und ihr werdet haben, was euer Herz begehrt: neue Kleider, Schmuck, Münzen«, hörte sie Rupert in einem Ton sagen, als erwarte er dafür auch noch Lob.
    »Haltet Ihr uns für gierig? Davon wird unser Vater nicht wieder lebendig«, fragte Aliza.
    »Besser, du begreifst. Dein Vater mag ein tapferer Mann gewesen sein, aber er war auch unklug und streitsüchtig. Nehmt euch lieber kein Beispiel an ihm«, bekam sie zur Antwort.
    Mutlos und stumm ergab sich Aliza in die Niederlage. Ihretwegen sollte kein zweites Mal Blut fließen. Sie sah zu Boden. Sizma verbarg ihr Mienenspiel hinter schwarzem Haargewirr. Auch sie schwieg.
    »Dann sind wir uns einig.« Die Edeldame, die bisher schweigend gelauscht hatte, riss das Kommando an sich. »Tu dein Bestes, Hildburg, wenngleich ich bezweifle, dass man aus Pferdeäpfeln Perlen machen kann. Wolf, Rupert, ich hoffe, ich sehe euch später beim Mahl. Seine Eminenz hat eine Gruppe Musikanten auf die Burg geholt, um der Königin Zerstreuung zu bieten.«
    »Ihr könnt Euch auf mich verlassen.« Hildburg deutete einen Knicks an.
    »Ich gehe erst mit der Rothaarigen in die Schwitzstube. Es kommt mir vor, als täten beide zusammen nicht gut.«
    Rupert befahl, Sizma zunächst wieder in der Kammer einzusperren.
    Die letzte Bemerkung warnte Aliza davor, Hildburg zu unterschätzen. Schlagkräftig und energisch, würde sie sich nicht leicht übertölpeln lassen. Aber wozu überhaupt einen solchen Versuch unternehmen? Sie saßen hoffnungslos in der Falle. Die Hände waren ihnen gebunden – wenn auch nicht mehr mit Fesseln, so war doch das Ergebnis das gleiche. Folgten sie nicht wie ein dressierter Tanzbär, würden andere es büßen müssen.
    Der innere Burghof glich einem Kirchplatz am Markttag. Jeder machte den Eindruck, als sei er in wichtigen Geschäften unterwegs. Nirgendwo konnte man Anzeichen von Müßiggang oder bloßem Zeitvertreib erkennen. Sogar die Tauben auf den Dächern verbreiteten gurrende Emsigkeit. Das Tor zur Vorburg war mit bewaffneten Posten gesichert und vor der Treppe zum Palas standen Wächter. Sie zeigten Aliza an, dass sie sich in unmittelbarer Nähe der Kaisergemahlin befand.
    Vor wenigen Stunden noch hätte sie das für den aufregendsten Moment ihres Lebens gehalten. Jetzt empfand sie weder Freude noch Erstaunen. Dieser Berthold hatte in ihr Leben eingegriffen und veränderte es, ohne dass sie den geringsten Einfluss darauf hatte. Warum?
    Die Badestube befand sich in einem der Rundtürme, vermutlich, weil von dort das schmutzige Wasser ungehindert über den Abhang zum Fluss abfließen konnte. Wärme empfing sie, nachdem sie die Stufen in ein Gewölbe hinabgestiegen war, das von einem gewaltigen Backsteinofen an einer Wand beherrscht wurde. Er strahlte die Hitze eines Hochsommertages ab. Bänke standen im Halbkreis darum, und zwei Mägde, die lediglich dünne Leinenkittel trugen,

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