Der Blutfluch: Roman (German Edition)
berührten den Boden.
»Das sollen die beiden sein?«, fragte die soeben. »Was geht in euren Köpfen vor? Die Dirnen starren vor Dreck, haben weder Anstand noch Anmut. Kein Pferdeknecht dreht sich nach ihnen um.«
Wolf trat als Letzter ein.
»Berthold, wir verschwenden unsere Zeit«, klagte die Edeldame.
Aliza glaubte eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen ihr und Berthold zu entdecken. Die Antwort bestätigte ihre Vermutung.
»Lass dich nicht von Äußerlichkeiten irre machen, Schwester. Ich sehe keinen Makel, den ein Besuch im Badehaus und die entsprechenden Kleider nicht korrigieren könnten. Schwierig ist allein die Entscheidung zwischen den beiden. Du da, nimm das Tuch von den Haaren. Ist sie ebenso höllenschwarz wie die andere?«
Die stämmige Magd streifte Aliza das Tuch ab und löste geschickt das Lederband am Zopf.
Berthold gab ein Zeichen der Anerkennung von sich, als die Flut der Haare sich rotblond löste.
»Ich gratuliere, Rupert. Du hast also die Richtige gefunden. Meine Anerkennung in jeder Beziehung.«
Er trat zu Aliza, packte eine Handvoll ihres Haars und zog sie gewaltsam daran auf die Beine. Mit brennender Kopfhaut hielt sie wütend seinem Blick stand, ohne sich Mühe zu geben, ihre Geringschätzung für ihn zu verbergen.
Sie sah Verblüffung in seinem Blick aufglimmen. Wie konnte sie ihm zeigen, wie sehr sie Männer verachtete, die Schwächeren Gewalt antaten? Kurz entschlossen spie sie ihm ins Gesicht.
Seine verdatterte Miene, während ihm gleichzeitig der Speichel über die Wangen lief, befriedigte sie zutiefst. Ein Lächeln entspannte ihre Lippen.
»Nicht, Berthold!«
Rupert fing dessen Faust kurz vor ihrem Gesicht ab. Er musste seine ganze Kraft einsetzen. Aliza streifte eine bange Vorstellung, was dieser Hieb bedeutet hätte, hätte er sein Ziel erreicht. Doch sogar um diesen Preis würde sie es wieder tun. Berthold mochte reich und mächtig sein, doch er konnte sie nicht erniedrigen.
»Willst du sie verunstalten? Das passt nicht in den Plan«, vernahm sie Ruperts Begründung für seine Abwehr des Schlages.
»Verdammte Hexe.« Berthold wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Das werde ich dir nicht vergessen.«
Die Edeldame trat zwischen ihn und Aliza. Absichtlich? Ihre Stimme gab keinen Aufschluss darüber. Sie klang vollendet beherrscht und kühl.
»Ich habe euch meine Hilfe zugesagt, aber in meiner Gegenwart wünsche ich weder Gewalt noch Zoten. Ehe diese Frauen nicht gewaschen sind, kann sich kein Mensch ein Urteil über sie erlauben. Ein Zuber allein tut es da wohl nicht. Ein Schwitzbad wird nötig sein. Hildburg, meine Kammerfrau, kümmert sich mit den Mägden darum. Ihr stellt bitte sicher, dass die beiden nicht aus der Rolle fallen. Meine Frauen sind es nicht gewohnt, bespuckt zu werden.«
Aliza versuchte Hildburg, die Stämmige, einzuschätzen. Welche Arbeit tat eine Kammerfrau? War sie Dienerin oder Gefährtin der Edeldame? Obwohl sie keine Ahnung von der Hierarchie des Burggesindes hatte, stellte sie Hildburg instinktiv mit jenen Bürgersfrauen auf eine Stufe, die auf den Märkten, von ihrem Gesinde gefolgt, nur das Beste wählten und den bettelnden Kindern ihres Stammes nicht einmal einen halben Pfennig gönnten. Hartherzige Matronen, in fein gewebte Wolle gewandet und sich hinter christlicher Unfehlbarkeit verschanzend.
Auch Sizma prüfte Hildburg mit einer Spur argwöhnischen Respekts. Auf der rechten Wange trug sie das Mal ihres Schlages. Es war besser, sie nicht zu reizen. Dennoch wagte sie, von ihr eine Erklärung zu fordern.
»Wir haben nichts Böses getan. Warum sind wir hier? Warum hat man uns in die Burg gebracht? Warum haben sie mit Mord und Totschlag unseren Gehorsam erzwungen?«
»Hätte sich euer Vater in seine Lage gefügt, wie es ihm befohlen wurde, er wäre noch am Leben«, antwortete jetzt Wolf nüchtern, ehe Hildburg den Mund öffnen konnte. »Gehorsam war alles, was wir von ihm und euch wollten. Die Folgen des Ungehorsams müsst ihr euch selbst anlasten.«
Die Unterlippe störrisch vorgeschoben, bot ihm Sizma Trotz. »Und woher nehmt Ihr das Recht, von uns Gehorsam zu fordern? Ihr seid weder mein Vater noch mein Bräutigam.«
»Da sei Gott davor«, brummte Wolf.
»Schluss mit dem Geschwätz. Ihr beiden seid hier, um für den Kaiser zu tanzen. Ihr sollt ihm in jeder Hinsicht zu Gefallen sein«, verkündete Berthold. »Sein schweres Amt erlaubt ihm nur wenig Zerstreuung. Tut euer Bestes, ihn zu amüsieren, dann werdet
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