Der Blutfluch: Roman (German Edition)
schleppten eimerweise Wasser herbei.
»Zieh dich aus«, kommandierte Hildburg und legte selbst Hand an, als Aliza der Anweisung nicht schnell genug Folge leistete.
»Verbrennt das Zeug.« Angeekelt warf sie den Mägden Alizas Kittel und ihr Hemd hin. »Und schrubbt sie, bis sie glänzt. Achtet auf ihre Haut. Sie soll so leuchten wie die Perle in einer Muschel, wenn ich auch nicht glaube, dass das möglich sein wird. Aber ich lasse mir nicht nachsagen, dass wir nicht alles versucht hätten.«
Nackt kreuzte Aliza schamvoll die Hände vor dem Schoß. Hildburgs Geringschätzung nahm ihr jede Menschenwürde. Alles in ihr wehrte sich dagegen, sie verspürte keinen Wunsch, einer Perle zu gleichen. Wer oder was war sie wirklich? Leenas Dämonentochter? Sizmas verhasste Rivalin? Tibos Todesengel?
Dampfschwaden stiegen zischend zur Decke, weil die Mägde jetzt ihre Wassereimer über den heißen Steinen auf dem Ofen entleerten. Der feuchte Dunst fiel brennend auf Alizas bloße Haut und kratzte beim Atmen in der Kehle.
»Setz dich.«
Eine Hand drückte sie im Nebel auf die nächste Bank. Am ganzen Körper brach ihr der Schweiß aus. Er vertrieb zuerst die Kälte, dann die Anspannung aus ihren Gliedern. Die Frauen begannen sie mit groben Tüchern abzureiben. Nach dem ersten Erschrecken darüber, dass fremde Hände sich an ihr zu schaffen machten, fand sie es überraschend angenehm. Die Mägde machten ihre Arbeit unpersönlich und gründlich. Von allen Seiten wurde sie immer wieder mit Wasser begossen und poliert.
Ihre Haut juckte und prickelte, als sie sie danach in einen Zuber steigen ließen. Bis zum Rand mit warmem Wasser gefüllt, auf dem duftende Kräuter schwammen, konnte sie staunend über beide Schultern darin versinken. Sobald sie den Nacken auf den Rand gelegt hatte, wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit ihrem Haar zu. Ihr selbst blieb nichts anderes zu tun, als sich in Geduld zu fassen. Die Prozeduren renkten ihr fast den Hals aus. Nass wurde ihr Haar so schwer, dass sie sein Gewicht kaum tragen konnte. Dennoch genoss sie das Aroma der Kräuter und Öle, die es wuschen, pflegten und zum Duften brachten. Sie vergaß sogar für kurze Zeit ihren Kummer.
»Das genügt, aus dem Wasser mit dir, Mädchen.«
Hildburg beendete die erholsame Spanne des Atemholens für Körper und Seele. Aliza stand ergeben auf und wischte sich mit beiden Handflächen das Wasser vom Leib. Sie begegnete Hildburgs Blick, ehe die Kammerfrau ihre Überraschung vor ihr verbergen konnte.
»Immerhin, es ist der Mühe wert gewesen«, spottete sie. »Trocknet sie ab, entwirrt das Haar und steckt sie in die Kleider, die ich vorbereitet habe.«
Aliza fröstelte unter den Schichten von Unterhemd, Unterkleid und Bliaut. Der Bliaut war an der Seite locker geschnürt und gab den Blick auf die Borten des Unterkleides frei. Sie hatte nie zuvor so etwas getragen. Das blasse Grün des Untergewandes entsprach vollkommen dem Tannengrün des Bliauts. Auf weißem Grund wiederholten die Borten Efeuranken in derselben Farbe. Sie kam sich fremd in der eigenen Haut vor. Was sie mit den Schuhen anfangen sollte, wusste sie schon gar nicht.
»Wie soll ich darin laufen?«
»Du wirst es lernen. Schlüpf hinein.« Hildburg zog die Schnüre des Übergewandes enger und zupfte den Bortengürtel über Alizas Hüften in die richtige Lage. »Vergiss nicht, die Augen niederzuschlagen, wenn wir über den Hof gehen. Egal, wozu du hier bist, für eine leichtfertige Person darf dich keiner halten.«
Unter dem Gewicht des Zopfes, der feucht und schwer bis zum Ende ihrer Wirbelsäule hing, schritt Aliza in ihrem ungewohnten Schuhwerk mit hocherhobenem Kopf aus der Schwitzstube. Keine der Mägde hatte eine Bemerkung darüber gemacht, dass sie ein Mal im Nacken trug, fiel ihr auf.
Hatte Sizma sie belogen?
Königin Beatrix
Burg Donaustauf, 5. September 1156
D ie Ehrendamen der Königin um sich geschart, hielt Clementia in der Burgkemenate Hof. Über Näharbeiten und Stickereien gebeugt, lauschten die Frauen einem Benediktinermönch, der aus einem Psalter vorlas. Er las eintönig und ohne der Heiligenlegende auch nur eine Spur von Frömmigkeit oder Kraft zu verleihen, wie Beatrix aufgebracht feststellte, die in der halb offenen Tür stand und die Szene beobachtete. Es lockte sie, dem Mann das Buch aus den Händen zu nehmen und zu beweisen, wie anrührend und unterhaltsam man eine solche Geschichte darbieten konnte. Jeder, der auf solches Geleier angewiesen war, wie es in
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