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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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sprechen. Sie hielt sie auf, während die übrigen Ehrendamen zur Tafel des Kaisers in den großen Saal vorausgingen. »Warum habt Ihr es verschwiegen?«
    »Kümmert Euch nicht um die Person, Majestät«, wehrte Clementia ab. »Sie ist niemand, den Ihr kennen müsstet.«
    »Sagt mir, wer sie ist und was sie hier tut, dann entscheide ich selbst.«
    Beatrix schluckte ein wenig, weil es sie immer wieder Kraft kostete, Clementia mit Bestimmtheit die Stirn zu bieten. Obwohl sie es verbarg, kämpfte in ihr noch immer die Gehorsam gewohnte Nonne mit der gebietenden Königin. Nur wenn sie zornig war, konnte sie herrisch werden.
    »Ich fürchte, die Wahrheit wird Euch schockieren, Majestät.«
    »Tut Euch keinen Zwang an.«
    »Dem Vernehmen nach handelt es sich um ein liederliches Frauenzimmer, das der Bischof unter Arrest gesetzt hat. Eine Ägypterin, die den Männern im kaiserlichen Lager mit ihren Tänzen den Kopf verdreht und öffentliches Ärgernis erregt hat. Normalerweise wird ihresgleichen dafür in den Kerker geworfen und ausgepeitscht.«
    »Weshalb? Weil sie tanzt?«
    »Weil es Unzucht und Sünde ist, die Lust der Männer zu wecken, indem man sich als Frau halbnackt zur Schau stellt.« Clementia redete sich erkennbar in Rage. Beatrix hatte sie so temperamentvoll noch nicht erlebt. »Dirnen demoralisieren das Mannsvolk. Sogar die Anständigsten verlieren ihretwegen allzu oft den Kopf.«
    »Übertreibt Ihr da nicht ein wenig, Herzogin?«
    »Glaubt einer erfahrenen Frau, Majestät«, seufzte Clementia. »Wenn es um die Sinneslust geht, sind die Männer schnell kopflos. Davor muss man sie schützen. Ihr seht es schon bei seiner Eminenz. Nicht einmal die Frömmsten sind gegen die Versuchung gefeit.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass diese Fremde und der Bischof …?« Beatrix wusste nicht genau, wie sie es in Worte fassen sollte.
    »Warum sonst wohnt sie in einer Kammer des Palas? Warum trägt sie grüne Wolle und Schleierstoffe, statt im Kerker auf ihre Strafe zu warten? Natürlich steht sie unter dem persönlichen Schutz seiner Eminenz.«
    Kein Wunder, dass Friedrich gelacht hatte. Beschämt wandte Beatrix den Blick ab. Sie hasste es, für naiv gehalten zu werden.
    »Habt Dank für Eure Auskunft, Herzogin.«
    Hinter ihrer Stirn jagten sich die Gedanken. Unwillkürlich schlich sich die Erinnerung an Friedrichs Reaktion auf die Unbekannte ein. Seine Neugier hatte ihn spontan in Anspruch genommen. Ganz unvermittelt hatte er das Gespräch mit ihr abgebrochen.
    »Erlaubt, dass ich Euch von Frau zu Frau meine Meinung sage, Majestät«, brach Clementia die Stille. »Dirnen wie diese Ägypterin treiben sich überall herum, wo Männer sind. Sie leben von deren Triebhaftigkeit und verkaufen sich an den Meistbietenden. Sie vegetieren im Schmutz, in der Gosse, bis der Tod sie erlöst. Auch wenn wir wissen, dass sie existieren, so sollten wir sie doch nie zur Kenntnis nehmen.«
    »Woher nehmen wir die Selbstgerechtigkeit, sie auszustoßen? Auch solche Frauen haben das Recht auf unsere Nächstenliebe. Denkt an Maria Magdalena, der Jesus ihre Sünden verzeihen konnte. Müssen wir ihnen nicht die Gelegenheit zu Reue und Umkehr geben, wenn sie ihre Sünden einsehen? In unseren Klöstern vielleicht?«
    »Darüber würden sich die meisten frommen Frauen wohl sicher empören, Majestät. Sie, die ihr Leben enthaltsam verbringen, fänden es bestimmt unerträglich, mit solchen Sünderinnen unter einem Dach zu leben.«
    Wie üblich schwangen Belehrung und Anmaßung in Clementias Stimme. Sie hielt sich nicht nur für weltgewandter, sondern auch für klüger als ihre Königin. Beatrix hatte es längst bemerkt, und es belastete ihr Vertrauensverhältnis.
     
    Beim Festmahl an Friedrichs Seite beobachtete Beatrix ihn und seine Gefährten im Lichte der neuen Erfahrung genauer als sonst. Auch Bischof Gebhard widmete sie neue Aufmerksamkeit. Sie wusste, dass er in Böhmen, Ungarn und in Italien für den Kaiser gekämpft hatte, obwohl er seit zwanzig Jahren Bischof von Regensburg war. Sein Name war mit Klostergründungen ebenso verknüpft wie mit einem Mordkomplott gegen den verstorbenen Kaiser Heinrich. Erst in diesem Jahr hatte Friedrich ihn begnadigt und erlaubt, dass er die Burg Wülfingen verließ, die seit Jahren sein Gefängnis gewesen war. Es fiel leicht, einem solchen Mann Sünde und Unzucht zu unterstellen. Dennoch weigerte sich in Beatrix alles dagegen, es nur aufgrund von Vermutungen zu tun.
    Je mehr sie über Clementias Unterstellungen

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