Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
Vom Netzwerk:
Alizas Zügen. Die nackten Körper waren mit Quetschungen und Brandwunden übersät. Verrenkte Schultern, Hände, deren Finger geschwollen und gebrochen abstanden, und Peitschenstriemen verrieten die Qualen, die die Opfer erduldet hatten. Dass noch ein Funke Leben in ihnen war, glich einem Wunder.
    »Sie haben ihnen die Finger gebrochen. Sie werden nie wieder die Fidel spielen können«, stammelte Sizma.
    »Wir werden andere Musikanten finden, die für euch zum Tanz aufspielen«, beschied Clementia.
    Aliza schlug die Hände vors Gesicht.
    Sizma brach ihr Schluchzen ab, rang um Atem und begann zu singen. Eine fremdartige Melodie und unverständliche Worte, die das Stöhnen der sterbenden Männer leidenschaftlich übertönten. Eine Totenklage? Es war so unheimlich, dass Rupert nur wie gelähmt zuhören konnte.
    Clementia erreichte die Klage nicht. Sie gab dem Kerkermeister den Befehl, die Tür wieder zu schließen. Dumpf prallte Holz auf Stein.
    Sizma sang unbeeindruckt weiter.
    Rupert entdeckte keine Anzeichen dafür, dass man die Wunden der Gefolterten versorgte. Die armen Teufel würden so nicht überleben. Abscheu und Ekel hinderten ihn am Sprechen.
    Auch Berthold, der so großen Wert darauf gelegt hatte, an Alizas Demütigung teilzuhaben, äußerte sich mit keiner Silbe. Er ließ sie jedoch nicht aus den Augen. Rupert hätte gerne gewusst, was er dachte. Er ließ keine Genugtuung erkennen. War es möglich, dass er bereute?
    »Gehen wir.«
    Als sie eilig zur Treppe strebten, begleitete Sizmas Gesang sie. Er hallte im Gewölbe wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts.
    Hildburg schüttelte Sizma heftig, um sie zum Schweigen zu bringen, gleichzeitig schubste sie Aliza mit der anderen Hand zum Gehen. Beide gehorchten so überhastet, dass es unter anderen Umständen lächerlich gewirkt hätte. Berthold folgte seiner Schwester stumm.
    Im Burghof rang Rupert so gierig nach frischer Luft, dass er die Hände auf die Oberschenkel stützen und sich nach vorne beugen musste. Als er sich wieder aufrichtete, hatte Hildburg Aliza und ihre Schwester bereits zurückgeführt. Clementia wartete neben Berthold, bis sie sich Ruperts voller Aufmerksamkeit gewiss sein konnte.
    »Von so empfindlichem Gemüt, Rupert?«, fragte sie. »Was wir gesehen haben, kannst du nicht allein Berthold anlasten. Die Männer wussten, welches Risiko sie eingingen. Lass uns hoffen, dass der Tod der armen Teufel wenigstens ihre Stammesgenossinnen zur Einsicht bringt. Beide sind schwer zu lenken. Die eine ist angriffslustig wie eine schwarze Viper, die andere unnachgiebig wie Stahl. Wären sie als Männer zur Welt gekommen, sie würden euch einen Kampf liefern, von dem ich nicht wissen möchte, wie er ausgeht.«
    »Nimm die Ägypterinnen mit nach Regensburg«, befahl Berthold. »Steck sie als Mägde unter deine Frauen. Ich nehme an, jetzt wissen sie, dass ihnen nur eine Möglichkeit bleibt: absolute Gefügigkeit. Ihre Sippe steht unter der Aufsicht des Burgvogts. Keiner darf Donaustauf verlassen. Ich werde dir Bescheid geben, wenn sie dem Kaiser zu präsentieren sind.«
    »Wie du meinst.«
    Clementia beherrschte die Kunst, wie erwartet zu antworten und gleichzeitig mitzuteilen, dass sie es nur unter Protest tat.
    »Wie ich es sage, Schwester. Und noch etwas: Halt deine Schützlinge von deinem Mann fern. Sie sind für Barbarossa reserviert. Es würde dem Neider sicher besonderen Spaß bereiten, sich vor dem Kaiser zu bedienen, wenn er es erfährt.«
    »Wenn das ein Scherz sein sollte, so war er bemerkenswert gewöhnlich, Berthold. Ich tue mein Bestes für Zähringen, aber ich bin nicht bereit, mir solche Unverschämtheiten anzuhören. – Rupert, würdest du mich bitte begleiten? Die Gesellschaft meines Bruders ist mir unangenehm.«
    Bertholds Lachen folgte ihnen herausfordernd über den Hof.
    »In den vergangenen acht Jahren ist aus der kleinen Clementia eine schöne und stolze Fürstin geworden«, wagte Rupert zu sagen. »Woran liegt es, dass sie dennoch wie ein Kind mit ihrem Bruder streitet, sobald sie ihn sieht? Alte Gewohnheiten?«
    »Vielleicht streite ich mich ja mit allen Männern, Rupert«, antwortete sie. »Ich komme immer mehr zu der Ansicht, dass ihr unvernünftig, dickköpfig und schwer zu ertragen seid. Die meisten Männer werden nie erwachsen. Das hindert sie jedoch keineswegs daran, sich für klug zu halten und alles bestimmen zu wollen.«
    »Welch vernichtendes Urteil. Wo passe ich in dieses Bild? Bin ich die Ausnahme oder nicht Manns genug,

Weitere Kostenlose Bücher