Der Blutfluch: Roman (German Edition)
damit Ihr mit mir streitet?«
»Ach, Rupert.« Clementia legte die Finger auf seinen Arm und schenkte ihm ein Lächeln unverfälschter Zuneigung. »Du warst schon früher anders als Berthold. Ich freue mich, dass er dich nicht zum Eisenfresser gemacht hat, wie Wolf und all seine übrigen Ritter. Versprich mir eins: Lass dich von meinem Bruder in keinen vergeblichen Kampf verstricken. Ich bin mir sicher, wenn Barbarossa nicht in der Schlacht oder einer tödlichen Krankheit zum Opfer fällt, wird ihm niemand die Krone wieder entreißen können. Nicht einmal Heinrich. Die Zähringer können nur gemeinsam mit dem Kaiser wieder erstarken, niemals gegen ihn.«
»Berthold solltet Ihr diesen Rat geben, nicht seinem Vasallen.«
»Berthold hört nicht auf Frauenrat. Kein Mann hört auf Frauenrat, Rupert. Das ist ja das Elend.«
Scherzte sie? Der Druck ihrer Finger war kühl, fast männlich. Er brachte Rupert zum Schweigen. Frauenrat gehörte auch seiner Meinung nach in die Familie und keinesfalls in die Politik.
»Ich weiß, was du denkst.« Clementia löste sich vor ihrem Gemach von seinem Arm. »Es würde die Welt auf den Kopf stellen. Aber vielleicht würde sie friedlicher sein und den Kindern ein besseres Zuhause bieten.«
Aliza
Burg Donaustauf, 6. September 1156
A lizas Gefühle ließen sich nicht länger unterdrücken. Alles, was sie in den vergangenen Tagen versucht hatte zu verdrängen, brach mit Macht über sie herein.
Hildburg schüttelte den Kopf, setzte sich neben die am ganzen Leib Zitternde und strich ihr zur eigenen Überraschung das Haar aus der Stirn. »Setz dich. Du musst keine Angst haben. Glaube mir, es wird dir nichts geschehen.«
»Es geht nicht um mich. Wie kann ich an mich denken, wenn Milosh und Tal zu Tode gefoltert werden? Was geschieht mit ihnen? Werden sie am Leben bleiben, wenn wir tun, was ihr verlangt? Wird man sie ins Lager zurückbringen, damit die Frauen ihre Wunden versorgen können?«
So gerne Hildburg zur Beruhigung Alizas gelogen hätte, etwas in ihrem Blick forderte die Wahrheit.
»Du hast sie gesehen. Bete, dass sie von ihrem Leiden erlöst werden. Mehr können auch eure Frauen nicht tun. Du begreifst hoffentlich endlich, dass meine Herrin keine leeren Drohungen ausspricht.«
»Das wusste ich vom ersten Augenblick an. Sie hat kein Herz.«
»Nein. Auch sie ist in einem Netz aus Zwängen und Verpflichtungen gefangen wie wir alle. Auch sie ist gezwungen, Befehlen zu folgen.«
»Man hat ihr befohlen, meine Schwester und mich wie Leibeigene zu behandeln? Das kann nicht wahr sein.«
»Man hat ihr befohlen, eine Tänzerin für den Kaiser zu suchen. Ein Mädchen, das ihn verführt, umgarnt und sein Bett wärmt.« Nach dem Besuch im Kerker hielt es Hildburg für unnötig, die Sache zu bemänteln. »Sie haben dich gefunden.«
»Der Kaiser hat eine Frau. Eine begehrenswerte, junge, wunderschöne Frau.«
»Die hohen Damen sind zu fromm und zu wohlerzogen, um die geheimen Wünsche eines Mannes zu erfüllen. Dafür sind Buhlen zuständig.«
Aliza wollte keine Buhle sein. Sie floh auf den Söller, der wie ein Taubenschlag zwischen Himmel und Erde an der Mauer klebte. Zum Nachdenken brauchte sie den freien Himmel über sich. Auch wenn der Schutz der Mauern und die Wärme der Gewänder angenehm waren, Entscheidungen konnte sie nur im Freien treffen. Insgeheim hatte sie längst befürchtet, dass ein Tanz für den Kaiser und ein Lächeln voller Versprechungen nicht alles sein konnten, was von ihr verlangt wurde. Wenn Gewalt ausgeübt wurde und Blut floss, musste mehr im Spiel sein.
Mahlzeiten, Kleider, Kissen, Decken und weiche Matratzen hatten ihre einschläfernde Wirkung nicht ganz verfehlt. Wie sollte unter so angenehmen Bedingungen so Schreckliches geschehen? Im Folterkeller war der Schleier der Illusionen jäh zerrissen worden. Die unverhüllte Aufklärung durch Hildburg verstörte sie nach dem Schock des Folterkellers vollends.
Ich muss tun, was sie verlangen, sonst werden noch mehr Männer und Frauen zu Tode gequält.
Warum? Du bist keine von ihnen. Sizma hält es dir jeden Tag mehrmals vor.
Sizma ist halb verrückt vor Angst und Kummer. Sie weiß nicht, was sie sagt. Leena und sie sind meine Familie. Als Ältere bin ich verantwortlich für die Sicherheit der Schwester und der Mutter.
Im Bemühen, ihre Fassung wiederzugewinnen, umklammerte sie die Steinbrüstung so heftig, dass ihr die Hände schmerzten. Unter ihr im Burghof pulsierte das gewohnte Leben. Edelmänner, reich
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