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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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passte nicht zu ihm, sich am Elend anderer derart zu ergötzen. Weshalb ausgerechnet Alizas Attacke ihn in solche Wut versetzte, konnte er sich nicht erklären. Es gab offensichtlich Seiten an Berthold, die er nicht kannte.
    »Ehrlich gesagt, lege ich keinen Wert darauf, Zeuge einer solchen Grausamkeit zu sein«, sagte Rupert geradeheraus. »Mir wäre am liebsten, du schicktest beide Mädchen zu ihrer Sippe zurück.«
    »Das sieht dir ähnlich.« Berthold lachte. »Aber ich schwöre dir, dein Mitgefühl ist verschwendet. Clementia wird natürlich enttäuscht sein, wenn sie dich bei dieser Gelegenheit nicht sieht.«
    »Sie begleitet die beiden in den Folterkeller? Du bindest mir einen Bären auf. Warum sollte sie dies auf sich nehmen?«
    »Das fragt man sich, nicht wahr? Ich habe den Eindruck, sie sucht jede Gelegenheit, mit dir in Erinnerungen zu schwelgen. Es gefällt meiner Schwester, mit dir zu tändeln. Sei vorsichtig, mein Freund. Heinrich der Löwe betrachtet sie als sein Eigentum.«
    Rupert zog scharf die Luft zwischen die Zähne und legte die Hand ans Schwert, ohne dass ihm damit eine Drohung bewusst wurde.
    »Das geht zu weit, Berthold. Ausgerechnet du ziehst den Ruf deiner Schwester in Zweifel? Weder sie noch ich geben dir den geringsten Anlass dazu. Ich bin kein Weiberheld und sie ist eine Fürstin ohne jeden Tadel.«
    »Aber sie hat sich in der Ehe mit dem Löwen verändert, das musst auch du zugeben.« Berthold gab sich betont versöhnlich. »Aus dem zarten Lämmchen ist eine Löwin geworden. Und die Löwin vertraut dir mehr als dem eigenen Bruder. Komm schon, mir liegt nur daran, dass du deine unangebrachte Empfindlichkeit überwindest und mich begleitest.«
    »Meinetwegen«, änderte Rupert gezwungenermaßen seinen Entschluss. »Aber gib mir Zeit, die Rüstung abzulegen und mich zu erfrischen.«
    Es war ein Hinauszögern des Unvermeidlichen, er wusste es selbst. Es würde ihn alle Kraft kosten, Stillschweigen zu bewahren.
     
    Die Verliese der Burg lagen so tief im Hang, dass man mit aller Macht gegen das Gefühl ankämpfen musste, lebendig begraben zu sein. Wäre er unter solchen Umständen eingekerkert, er würde sogar seine Hinrichtung begrüßen, wenn sie nur unter freiem Himmel stattfände, sagte Rupert sich bitter.
    Clementia war keine Regung anzumerken. Sie schritt im Fackelschein voraus, gefolgt von Hildburg und den beiden Ägypterinnen. Rupert hatte Berthold wie üblich den Vortritt gelassen und beschloss mit dem Kerkermeister die schweigende Prozession. Stiefeltritte, das Schleifen der Röcke auf Stein und das Klirren von Schlüsseln am Gürtel des Wächters waren die einzigen Geräusche. Weil die meisten Kerker leer waren oder weil die Pforten so dicht schlossen, dass kein Lebenszeichen herausdrang?
    Die abschüssige Treppe endete in einem Gewölbe, von dem mehrere Gänge abzweigten, so dass Clementia innehielt und auf den Kerkermeister wartete.
    »Seid Ihr sicher, dass Ihr das sehen wollt?«
    »Geh und öffne!«, zischte Clementia ungeduldig.
    Rupert nahm als Erste Aliza wahr. Schon wirr und ungepflegt hatte ihr Haar ihn in Würzburg fasziniert. Gewaschen, mit Ölen gepflegt und von Bürstenstrichen zum Glänzen gebracht, erregte es seine ganze Aufmerksamkeit. Ahnte sie, was ihr bevorstand? Das Gesicht bleich, die Augen glanzlos, hielt sie sich kerzengerade.
    Immer wieder sah sie sich um, strich mit den Handflächen über ihr grünes Gewand oder ballte die Hände zu Fäusten. Er verspürte den absurden Wunsch, sie zu trösten.
    Ihre Schwester, an der das Schwitzbad ebenfalls Wunder bewirkt hatte, nahm er kaum zur Kenntnis. Sie trat unruhig von einem Fuß auf den andern, und Hildburg zischte ihr erfolglos eine leise Ermahnung zu.
    »Meine Zeit ist knapp bemessen«, erklärte Clementia jetzt so herablassend, dass der Kerkermeister sich eilig am Riegel des gegenüberliegenden Eingangs zu schaffen machte und die schwere Holzpforte aufstemmte.
    Danach ging er aus dem Weg, hielt aber eine der Fackeln hoch, um den Blick auf die Folteropfer freizugeben, die hinter der Tür auf der nackten Erde lagen. Geblendet, gaben beide dasselbe Lebenszeichen von sich. Erbärmliches Stöhnen.
    »Kennt ihr diese Männer?«, fragte Berthold knapp.
    »Milosh! Tal! Um Gottes willen, was habt ihr mit ihnen gemacht?«
    Die Kammerfrau hielt Sizma davon ab, sich in die Kerkerzelle zu stürzen. Von ihr gehalten, brach sie in herzzerreißendes Schluchzen aus.
    »Warum? Warum habt ihr das getan?«
    Entsetzen stand auf

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