Der Blutfluch: Roman (German Edition)
gleich, würde sie ihm tatsächlich entkommen.«
Clementia sah ihm an, was ihm durch den Sinn ging, und erstickte seine Hoffnung im Keim. »Misch dich nicht in diese Sache ein, Rupert. Du würdest alle gegen dich aufbringen. In den Augen des Herzogs ist die Ägypterin Freiwild. Er will sie haben. Auch weil ihm der Streit mit Berthold den Eindruck vermitteln musste, es missfiele mir, wenn er sie zur Buhle nimmt.«
Ob Clementia bedenkt, was sie mir damit über ihr Eheleben verrät?,
fragte sich Rupert. Umstände, Eheschwur, Sitte und Gehorsam banden sie an Heinrich, wie ihn das Vasallentum an Berthold. Ähnlich Mägden und Knechten mussten Ritter und Herzogin widerspruchslos gehorchen.
Vor dem Zelt klangen Stimmen. Ein königlicher Page wurde gemeldet. Hildburg ließ den Jungen ein, nachdem Clementia genickt hatte.
»Ihre Majestät, die Königin, wünscht den Herrn Ritter von Urach zu sprechen. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt, Herr!«
»Die Königin?« Clementia konnte ihr Erstaunen nicht verbergen. »Was will die Königin von ihm?«, wandte sie sich an den Jungen.
»Das kann ich Euch nicht sagen, Euer Gnaden.«
Clementia fixierte Rupert auffordernd. Ratlos hob er die Schultern.
Sich vor Clementia verneigend, zog er dabei verstohlen sein Wams glatt. Er trug Alltagskleider. Er hätte gerne mehr Sorgfalt auf seine Erscheinung verwendet.
»Es ist egal, wie du aussiehst, Rupert. Die Königin hat nur Augen für den Kaiser.« Flüsternd fügte Clementia hinzu: »Komm unverzüglich zurück und berichte. Ich kann dir in Dingen des Hofes besser raten als Berthold.«
Der Page blieb den ganzen Weg über schweigsam, während Rupert seinen Gedanken freien Lauf ließ. Beim besten Willen wollte ihm kein Grund einfallen, warum die Königin nach ihm schickte. Normalerweise war es eine hohe Ehre. Hiobsbotschaften waren allerdings in den letzten Tagen die Regel.
Ein Labyrinth aus Zelten, die ineinander übergingen, bildete das Quartier des Kaisers. Bis Rupert endlich das Knie vor der Königin neigte, wusste er kaum noch, wie viele Vorhänge und Vordächer er passiert hatte.
»Gott zum Gruße, Herr Ritter.«
Beatrix empfing ihn liebenswürdig und bat ihn ohne Umschweife, sich wieder zu erheben. Bis auf eine ältere Edeldame, die an einem Altartuch stickte, waren sie allein in einem Kabinett, dessen Seidenwände das Kerzenlicht golden widerspiegelten.
»Euer Majestät«, grüßte er ehrerbietig.
Aus der Nähe wirkte die Königin zarter und anmutiger, indessen nicht so kindhaft. Ihre Bewegungen verrieten Tatkraft und Entschiedenheit, ihr Blick Scharfsinn. Bestechend waren ihre unendlich blauen Augen.
»Zu Euren Diensten«, fügte er aus jähem Antrieb hinzu, ehe er höflich einen Schritt zurücktrat, damit ihr Größenunterschied sie nicht bedrängte.
»Dieser Dienste bedürfen wir«, erwiderte sie.
Aliza
Kreuzhof bei Regensburg, 11. September 1156
S chwankend zwischen Angst und Erwartung, hätte Aliza beinahe den Ruf überhört.
»Gesell dich zu uns, meine Liebe.«
Den Blick auf Beatrix gerichtet, trat Aliza hinter dem Wandschirm hervor, der einen Teil des Raumes schutzbietend abtrennte.
Sie trug feine Wolle. Das Tuch ungefärbt, hellbraun. Ein Kopfputz aus Leinen verbarg das Haar.
Rupert konnte seine Überraschung nur mühsam verhehlen.
Die Herrin von Tennenburg, die Beatrix Gesellschaft leistete, zog Seidengarn durch den Stoff, unbeeindruckt davon, dass die Luft um sie herum vor Spannung flirrte. Immer deutlicher nahm das Kreuz auf dem Tuch, das sie bestickte, Formen an. Obwohl sie unter Gicht in den Fingerknöcheln litt, trieb sie der Ehrgeiz, ein Altartuch anzufertigen.
Sie ist ein wenig schwerhörig,
hatte Beatrix kurz zuvor Aliza aufgeklärt,
wir können miteinander sprechen, ohne dass sie Fragen stellt. Sie ist eine liebe Seele. Ich bin gerne in ihrer Gesellschaft, obwohl sie zu den Frauen gehört, die mir die Herzogin von Sachsen besonders ans Herz gelegt hat.
Aliza richtete einen kurzen Blick in Ruperts Richtung.
Er machte einen erschöpften Eindruck. Dass seine Gesichtszüge sich versteinerten, der Mund sich öffnete und seine Augen sich weiteten, bewies ihr seine Befangenheit. Sie blieb neben Beatrix stehen. Am liebsten hätte sie nach ihrer Hand gegriffen, um an der Zuversicht teilzuhaben, die sie verströmte. Beatrix mochte einsam sein und sich nach mehr Aufmerksamkeit von ihrem Mann sehnen, aber sie besaß eine innere Ruhe und Gelassenheit, die ansteckend wirkte.
»Aliza ist Euch ja keine
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