Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Faszination, wie Beatrix, auf und ab gehend, ein ganzes Leben für sie entwarf. Am Ende war sie eine Novizin aus Dôle, die der Königin in solcher Freundschaft verbunden war, dass sie nach deren Heirat Kloster und Heimat verlassen hatte, um ihr zu dienen.
»Wenn du dich mit einem Leben als Kammermagd zufriedengibst, haben wir ein Problem weniger. Kammermägde müssen nicht von nobler Herkunft sein. Die gemeinsame Vergangenheit im Kloster begründet außerdem, weshalb wir uns – ungeachtet des Unterschiedes von Geburt und Rang – so vertraut sind«, tat Beatrix alle Einwände ab. »Burgund ist weit, und meine Damen interessieren sich mehr für das Hier und Heute.«
Unter ihrer Begeisterungsfähigkeit entdeckte Aliza das Kind, das Beatrix so sorgfältig vor ihrer Umgebung versteckte. Im Sternbild der Waage geboren, würde sie im nächsten Monat das dreizehnte Lebensjahr vollenden. Fünf Jahre und tiefe Gräben trennten sie und das Findelkind vom Ufer des Doubs, und doch hatte Aliza auf Anhieb mehr Liebe und Verständnis für sie empfunden als je für Sizma.
Die Erfahrung, wie Berthold zur Königin stand, machte Aliza am Nachmittag des gleichen Tages. Clementia löste sich geschickt aus dem Kreise der Damen, die Beatrix versammelte, um die Armenspeisung an der Kreuzhofkirche aufzusuchen. Für einen Unbeteiligten mochte es aussehen, als sorge sie sich um das Wohl der Königin, die in Anbetracht des Sonnenscheins auf einen Umhang verzichtet hatte, obwohl ein kühler Wind wehte. Sie erbot sich, einen Mantel für Beatrix zu holen, und tauchte deshalb, völlig unerwartet, bei Aliza im Zelt auf.
Zwischen den Garderobentruhen der Königin hatte sie sich dort vor Entdeckung sicher geglaubt. Ganz damit beschäftigt, Ordnung in die Garderobe der Königin zu bringen, nahm sie kaum wahr, dass Clementia hereintrat.
»Anscheinend verfügt ihr Ägypter wirklich über Zauberkräfte.« Clementia sah sich neugierig um, während sie über den Pelzbesatz eines Staatsgewandes strich, dessen Rocksäume Aliza gerade ausbürsten wollte. »Wie sonst soll ich mir erklären, dass du in so kurzer Zeit das Vertrauen der Königin erworben hast?«
Aliza antwortete nicht.
»Wie auch immer, du bleibst jetzt, wo du bist. Du wirst mir Bericht erstatten über alles, was die Königin dir anvertraut, und wirst weder Aufmerksamkeit erregen noch in Sichtweite des Kaisers oder meines Mannes geraten.«
»Und was geschieht mit meiner Schwester? Meiner Mutter? Unserem Stamm? Lasst Ihr sie frei?«
Aliza wartete vergeblich auf ein klares Ja.
»Das hängt von dir ab. Daran hat sich nichts geändert.«
»Ich will sie sehen. Ich will wissen, wie es ihnen geht. Ich will mit ihnen sprechen.«
Clementia hob die Augenbrauen angesichts des Mutes zum Widerspruch. »Hör zu: Du wirst gekleidet, bekommst zu essen, wirst beschützt. Bis auf Weiteres bleibt dir sogar der Liebesdienst erspart. Ich kenne eine Menge Frauen, die dich um dein Luxusleben beneiden würden. Setze es nicht mit unziemlichen Forderungen aufs Spiel. Und nun gib mir den Umhang der Königin.«
Clementia hatte während des Gesprächs ständig auf das Geschehen draußen gehorcht. Da die Geräusche des Aufbruchs deutlicher wurden, wandte sie sich zum Gehen.
»Was kann ich Euch glauben?«, rief ihr Aliza nach.
»Finde es heraus! Du wirst selbst lernen müssen, wem und was du glauben kannst.«
Bis Aliza ihre Verblüffung überwunden hatte, fiel der Vorhang hinter der Herzogin.
Sie hat recht. Mir bleibt keine Wahl. Ich muss gehorchen.
Ermattet sank sie auf einen Hocker, die Arme tatenlos über die Knie gelegt. Von Beatrix wusste sie, dass der Kaiser nicht mehr lange in Regensburg bleiben würde. Dabei hatte sie überrascht von der Fülle der Aufgaben erfahren, die im Laufe eines Hoftages auf ihn warteten. Vergnügungen erwiesen sich als Pflichtveranstaltungen. Gerichtsverhandlungen, Beratungen mit Fürsten, Gesandten und Klerikern, Besprechungen mit Ministerialen und Edelmännern wechselten sich in ununterbrochener Folge ab. Es wurden Urkunden ausgefertigt, Bauvorhaben besprochen sowie Anerkennung und Tadel an jene verteilt, die es verdienten.
»Bei all dem muss er ständig die Machtverhältnisse im Reich berücksichtigen«, hatte Beatrix ihr erklärt. »Auch seine Berater machen Fehler. Er muss ihnen Anweisungen geben, was oft schwierig ist, weil sie ihren eigenen Kopf haben. Er muss vermeiden, sie zu seinen Feinden zu machen.«
Berthold von Zähringen war einer dieser Feinde. Musste
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